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D-A-S-H Dossier #11: Erinnerungskultur und GedächtnispolitikWenn man in diesen Tagen den Fernseher anschaltet oder die Zeitung aufschlägt, wird man immer wieder mit der Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konfrontiert. Bescherte uns der SPIEGEL im Frühjahr 2004 die Story von der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« – dem Ersten Weltkrieg – so beschäftigte im Mai und Juni vor allem der D-DAY – die Landung der alliierten Truppen in der Normandie am 6. Juni 1944 – die Redaktionen in Funk und Fernsehen. In den Medien wird mit diesen historischen Ereignissen populärwissenschaftlich umgegangen. Bereits Anfang des Jahres stimmten mehrere Spielfilme auf den 20. Juli ein – den 60. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler. Am 1. September wird dem 65. Jahrestag des Überfalls der Wehrmacht auf Polen und damit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges gedacht werden. Und für 2005 stehen die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung und des Kriegsendes an. (Der Vollständigkeit halber sei hier auch der der 15. Jahrestag der »Wende« oder »Friedlichen Revolution« in der DDR genannt.) Alle genannten Termine sind wichtige Gedenktage für die Identität und Legitimation der bundesrepublikanischen Demokratie. Die Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte und deutschen Verbrechen steht momentan im Zentrum der Öffentlichkeit. Diese Auseinandersetzungen sind immer auch vom aktuellen Gedenkdiskurs, d.h. den momentanen Absichten der allgemeinen Politik und der Interpretation von Geschichte geprägt. Das gilt nicht nur für die öffentliche Diskussion. »Geschichte wird gemacht, es geht voran« sang die Punkband Fehlfarben dazu bereits 1980. Dem Nationalsozialismus zu gedenken und ihn im Gedächtnis zu bewahren, bedeutet auch Reflexion über den jeweils eigenen Blick auf die Geschichte. Geschichte wird aus der Gegenwart konstituiert. Verschiedene politische Verhältnisse und gesellschaftliche Situationen bedingen unterschiedliche Erinnerungsschwerpunkte. Erinnerung an den Nationalsozialismus, den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg ist wichtig – aber der Kontext und das »Wie« sind entscheidend. Ein Grund für D-A-S-H, die Geschichtspolitik und Erinnerungskultur der BRD etwas genauer zu betrachten. Verfolgt man hierzulande den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, so fallen mehrere Veränderungen der letzten Jahre auf. Die Generation der Opfer und Täter bzw. Täterinnen ist in absehbarer Zeit ausgestorben – immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen stehen für die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte zur Verfügung. Mit dem Sterben der Opfer verlieren die Debatten um Entschädigungszahlungen an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ihre »Berechtigung« – so werden Zahlungen hinausgezögert und Entschädigungsansprüche gegenüber deutschen Unternehmen abgewiesen. Immer wieder gibt es Diskussionen um nicht beachtete oder »vernachlässigte« Opfergruppen – kämpfen Sinti und Roma ebenso wie die Opfer der NS-Wehrmachtsjustiz um die Wahrnehmung ihrer Interessen und die Würdigung ihrer Verfolgungsgeschichten. Eine andere Entwicklung ist die Geschichtsarbeit der Fernsehanstalten. Guido Knopp sei hier als herausragendes – schlechtes – Beispiel genannt. Der »Chefhistoriker« des ZDF prägte in den letzten Jahren mit unzähligen Dokumentationen und Filmreihen die Wahrnehmung des Nationalsozialismus. Seine Produktionen wie Hitlers Helfer, Hitlers Frauen, Die Gefangenen, Die große Flucht, Ärzte unterm Hakenkreuz, Sie wollten Hitler töten u.v.m. wurden von Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern gesehen und in mehr als 40 Länder verkauft. Unter Historikerinnen und Historikern umstritten, ist seine Methode der filmischen Geschichtsarbeit dennoch stilbildend. |
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Gerade Guido Knopps undifferenzierte und unkritische Auswahl von Zeitzeugen und Zeitzeuginnen und deren meist unkommentierte Wiedergabe und Darstellung bewirkte eine Verschiebung in der Wahrnehmung der historischen Ereignisse. Hinzu kam der Boom von Familien- und Generationenromanen und anderer Literatur zum »Bombenkrieg« und der Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten im Zuge des Zweiten Weltkrieges.(1) Dass die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung das nationalsozialistische Regime getragen und befürwortet hat und auch an den NS-Verbrechen von der Denunziation bis zu Massenerschießungen durch die Wehrmacht beteiligt war, ist eine historische Tatsache. (Wer sich hierzu genauer belesen möchte, der sei auf unsere Literaturliste verwiesen.) |
(1) Siehe dazu der Artikel von Harald Welzer »Schön unscharf. Über die Konjunktur der Familien- und Generationenromane« in: Mittelweg 36, hrsg. Vom Hamburger Institut für Sozialforschung, Nr. 1/ 2004, S. 53-64. PDF
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Drückte man sich schon immer gerne davor, sich mit den Täterinnen und Tätern in der eigenen Familie auseinanderzusetzen, so stehen seit einigen Jahren die im Familiengedächtnis bewahrten Geschichten von erfahrenen Bombennächten und der Flucht aus den Ostgebieten auch im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Bemüht man sich offiziell, die Erinnerung an Holocaust und nationalsozialistische Verbrechen im Gedenken aufrecht zu erhalten, so zeigen sozialwissenschaftliche Studien, dass im privaten Erinnern die Verbrechen der Deutschen während des Nationalsozialismus nur eine sehr geringe Rolle spielen. Die viel beachtete Studie von Harald Welzer et. al. *»Opa war kein Nazi«* weist nach, dass die Erinnerung in der Familie, die ein wichtiger Faktor bei der Identitätsbildung und der politischen Meinungsbildung ist, im Gegensatz dazu das erfahrene persönliche Leid im Krieg und das mühselige Überleben herausstellt. Materialsammlung zu »Opa war kein Nazi« Eine andere umfassende Studie *»Kollektive Erinnerungen der Deutschen«* des Soziologen Horst-Alfred Heinrich entstand aus weit über 2000 ausführlichen Fragebogen-Interviews und einer umfassenden Auswertung.(2) Heinrich kommt bei der Auswertung zu dem Ergebnis, dass der negative Bezug auf die NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik keineswegs zum Stützpunkt nationaler Identität geworden ist – wie vielfach behauptet werde – , sondern diese eher stört. In der Studie wurde untersucht, ob die Ermordung der Juden im Nationalsozialismus im Denken der einzelnen Deutschen eine ähnlich wichtige Rolle wie im öffentlichen Diskurs spielt oder welchen Einfluss Gedenktage mit der einhergehenden Medienaufmerksamkeit auf die Individuen ausüben. Dabei wurde deutlich, dass die Deutschen in der Beantwortung der Fragen nach dem Nationalsozialismus diesen nicht an sich meinten, sondern, so Heinrich, den Zweiten Weltkrieg. Wenn die Deutschen sich erinnern, erinnern sie sich dann dominant an drei Dinge: Fronterfahrung, Flucht und so genannter »Bombenkrieg«. Die Shoah ist kein Thema. Die öffentliche Debatte, die derzeit zu verfolgen ist, verläuft genau entlang dieser ’Stationen’. Die Stalingrad-Erinnerung steht stellvertretend für die »Opfer an der Front«. Die öffentliche Debatte um den »Bombenkrieg«, in Folge von Friedrichs ’Der Brand’ und den Bombardierungsjahrestagen vieler deutscher Städte, steht für die deutschen zivilen Opfer. Die Debatte um Flucht und Vertreibung ist verbunden mit der Diskussion um das Zentrum gegen Vertreibungen. Heinrich verweist darauf, dass nach seinen Befunden scharf getrennt werden müsse zwischen dem, was die Masse der Deutschen denkt und erinnert und dem, was öffentlich medial vermittelt wird. Er stellte fest, dass der öffentliche Diskurs nur einen geringen Einfluss auf das kollektive Gedächtnis hat. Jörg Friedrichs *»Der Brand«* war eines der meistbeachteten Bücher über den Bombenkrieg der letzten Jahre in Deutschland.(3) Anhand dieses Buches und seiner Diskussion lässt sich die Umdeutung von NS-Täterinnen und Tätern zu Opfern anschaulich nachvollziehen. Friedrich geht sogar noch einen Schritt weiter, aus Befreierinnen und Befreiern werden bei ihm Täterinnen und Täter. Die Bomberverbände nennt Friedrich »Einsatzgruppen« – eine feststehende Bezeichnung für die deutschen Sonderkommandos an der Ostfront(4) – aus den Bunkern werden bei Friedrich »Krematorien« und der Brand, damit endet Friedrich, stellt »die größte Bücherverbrennung aller Zeiten« dar. Jörg Friedrich prangert auch an, dass zwar angeblich ganz Deutschland zerstört worden wäre, nicht aber die Gleise nach Auschwitz. Die Verantwortung für die Shoah wird so weitergereicht, weil die Alliierten auch nur zugesehen hätten. |
(2) Horst-Alfred Heinrich, Kollektive Erinnerungen der Deutschen. Theoretische Konzepte und empirische Befunde zum sozialen Gedächtnis, Weinheim und München 2003.
(3) Jörg Friedrich, Der Brand – Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945, München 2002.
(4) Die »Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes« wurden 1941 unter Leitung der SS neu gebildet. Sie hatten den Befehl, im Hinterland der besetzten Ostgebiete die kommunistische Führungsschicht (Kommissarbefehl), Partisanen, Juden und Roma zu töten. Die Zahl der von ihnen Ermordeten schätzt man auf circa 2 Mio. Menschen. Mehr Informationen: Andrej Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941-1943, Hamburg 2003.
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Angeblich brechen Bücher wie »Der Brand« das Tabu, dass die Deutschen der Bombardierung deutscher Städte nie hätten gedenken »dürfen«. Diese Behauptung widerlegen jedoch die alljährlich in zahlreichen Städten durchgeführten Gedenkveranstaltungen. Auch Studien belegen: Alltagserzählungen wie Literatur sind voller Bombennächte.(5) |
(5) siehe dazu Literaturbeilage der Konkret 10/2003
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Bei der Presse-Berichterstattung und dem Fernsehprogramm (wie der »D-Day-Woche« auf Pro7) rund um den *»D-DAY«*(6) lässt sich eine weitere Verschiebung der Geschichtswahrnehmung und Interpretation nachweisen. Geht man von den historischen Tatsachen aus, so war der 6. Juni 1944 nichts weiter als die lang erhoffte, von Churchill und Roosevelt bereits 1943 beschlossene und von der Sowjetunion stets geforderte Eröffnung der Zweiten Front gegen die in Westeuropa stationierten Verbände der deutschen Wehrmacht. Diese zweite Front diente den westlichen Alliierten letztlich auch zur Begrenzung der Einflusssphäre Stalins. Was in den letzten Wochen vermittelt wurde, war eine andere historische Wahrheit: kaum jemand erwähnte den bereits seit 1941 andauernden Krieg im Osten und die Tatsache, dass die Wendung des Krieges sich auf sowjetischem Boden vollzog, auch wenn der genaue Zeitpunkt (ob nun mit der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad im Februar 1943 oder in der Panzerschlacht im Kursker Bogen im Juli 1943) auch unter Historikerinnen und Historikern umstritten ist. Von der »Befreiung Europas« war stets die Rede und nicht von einem Beitrag zum Sieg über Nazideutschland – dabei trugen die Sowjetunion und die Rote Armee die Hauptlast dieses Krieges und den Löwenanteil an der Befreiung. Ebenso unerwähnt blieben die Tausenden Emigranten und Emigrantinnen aus allen europäischen Ländern, die sich in den Reihen der britischen und amerikanischen Truppen befanden, um für die Befreiung vom Faschismus zu kämpfen. Stattdessen richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Teilnahme von Bundeskanzler Schröder an den D-Day-Feiern in Caen/Frankreich. Seine Anwesenheit wurde von den Protagonisten selbst als »beispielhafte« Aussöhnung (Jaques Chirac) und »unglaubliche historische Geste« (Gerhard Schröder) bezeichnet. Schröder entschuldigte sich in seiner Rede für das Massaker im französischen Oradour, wo die SS-Division »Das Reich« am 10. Juni 1944 642 Zivilisten ermordete – dabei erwähnte er aber nicht, dass keiner der Verantwortlichen für dieses Verbrechen je vor einem bundesdeutschen Gericht stand.(7) |
(6) D-Day bezeichnet den Beginn einer größeren militärischen Operation nach einem festgelegten Zeitplan. »D« steht dabei für »day« – vergleichbar mit »Tag X«.
(7) Siehe dazu den Artikel Oradour – das ungesühnte Verbrechen in der TAZ vom 10. Juni 2004
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Der Umgang mit dem »D-Day« lässt für die weiteren noch anstehenden Gedenktage einen ähnlich undifferenzierten und einseitigen Blick auf den Nationalsozialismus und die Auseinandersetzung mit seinen Ursachen und Folgen erwarten. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur erwähnt, dass z.B. der Umsturzversuch des 20. Juli 1944 – aus dem Kreis des Militärs – immer besondere Beachtung in der Bundesrepublik fand. Die Gruppe um Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg stammte überwiegend aus national-konservativen Kreisen. Diese waren bis zur Kriegswende 1943 mehrheitlich Träger des NS-Regimes und überzeugte Nationalsozialisten. Mitglieder des zivilen Widerstandes, wie die Sozialdemokraten Julius Leber und Wilhelm Leuschner und andere Mitglieder des »Kreisauer Kreises«, die sich 1944 der Gruppe um Stauffenberg anschlossen, werden beim Gedenken an den 20. Juli oft vergessen. Auch kommunistische und anarchistische Widerstandsbewegungen wurden nicht Teil der offiziellen Geschichtspolitik und das obwohl die Angehörigen dieser Gruppen schon früh und konsequent gegen den deutschen Faschismus kämpften. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine AnmerkungDa das Gedenken an das Attentat vom 20. Juli 1944 in den nächsten Wochen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht, wird an dieser Stelle etwas ausführlicher darauf eingegangen. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus anderen politischen Lagern und persönlichen Überzeugungen sei an dieser Stelle nur kurz genannt. Nachdem die NSDAP an die Macht gekommen war, entstand in Deutschland eine organisatorisch und politisch äußerst uneinheitliche Widerstandsbewegung. In den ersten Jahren der NS-Herrschaft wurde der Widerstand von den politischen Gegnern der Nationalsozialisten getragen. Die Kommunisten versuchten eine offensive aktive Untergrundarbeit zu organisieren – sie zahlten den höchsten Blutzoll des innerdeutschen Widerstandes. 1934-36 wurde der kommunistische Widerstand aufgrund seiner überschaubaren Organisationsstruktur durch Verhaftungswellen stark geschwächt und verlagerte sich teilweise in die Konzentrationslager, wo illegale Häftlingsstrukturen aufgebaut wurden. 1936-38 gingen zahlreiche Kommunisten nach Spanien, um in den Internationalen Brigaden mitzukämpfen. Ein wichtiger Punkt ihres Kampfes wurde die Arbeit im Exil (v.a. aus der Sowjetunion, Frankreich und Mexiko). Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion (Juni 1941) entstanden wieder etliche kommunistische Widerstandsgruppen (u.a. um Bernhard Bästlein, Wilhelm Knöchel, Anton Saefkow und Georg Schumann), die sich z.T. am Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) orientierten. Saefkow und Bästlein hatten über Adolf Reichwein 1944 Kontakt zu den Verschwörern des 20. Juli 1944.(8) |
(8) Weiteres dazu in der Wikipedia: Widerstand gegen den Nationalsozialismus
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Sozialdemokraten und Gewerkschafter aus allen Richtungen (unter ihnen viele Anarchisten) fanden sich am ehesten zusammen, um gemeinsam zu arbeiten (z.B. W. Leuschner und J. Kaiser – christliche Gewerkschaften). Aus christlich-humanitären Antrieben richtete sich der Protest vieler engagierter Christen (Bekennende Kirche) gegen die totalitären Herrschaftsmethoden und Anschauungen (besonders gegen Judenfeindlichkeit und Euthanasieprogramm) des Nationalsozialismus (M. Niemöller, D. Bonhoeffer u.a.), ebenso wie die Zeugen Jehovas. Schriftsteller und Künstler wählten den Weg der »inneren Emigration« (E. Kästner) oder gingen ins Exil (Fam. Mann, B. Brecht). Nicht zu vergessen der oft zunächst unorganisierte und spontane Widerstand von Jugendlichen (die Edelweißpiraten im Ruhrgebiet, die Leipziger »Meuten« oder die »Swing-Kids«). Der organisierte Widerstand der politischen Parteien und Gruppen wurde durch den Terror bis 1936 weitgehend zerschlagen. Zahlreiche Attentatsversuche gegen Hitler, wie am 8. 11. 1939 durch den Tischler J.G. Elser, schlugen fehl. Mit Beginn des Krieges lähmten die militärischen Erfolge der deutschen Wehrmacht zunächst den gesamten innerdeutschen Widerstand. Die moralische Wende für den Widerstand markierte die Schlacht um Stalingrad im Winter 1942/43. Nachrichten über nationalsozialistische Verbrechen in den besetzten Gebieten, besonders an Jüdinnen und Juden, gaben der Opposition neuen Auftrieb. Im Kreisauer Kreis H. J. von Moltkes vereinten sich Widerstandskämpfer verschiedener Richtungen – Münchener Studenten schlossen sich in der Weißen Rose zusammen. Das Zusammenwirken des konservativen und liberalen Kreises um Goerdeler, zu dem auch die Sozialdemokraten J. Leber und A. Reichwein gestoßen waren, mit der militärischen Opposition (F. Olbricht, H. von Tresckow, G. von Kluge, C. Schenk Graf von Stauffenberg, General L. Beck(9) verdichtete sich seit 1943 zu einem Putsch- und Attentatsplan gegen Hitler (20. Juli 1944). Wobei auch hier nicht vergessen werden sollte, dass sich der Widerstand aus den Reihen der Wehrmacht oft in erster Linie gegen den Krieg im Westen richtete – man einen Separatfrieden mit Großbritannien anstrebte, um den Sieg über die Sowjetunion noch zu ermöglichen und damit auch eine Revision des Ersten Weltkrieges. Zudem waren die Konzepte der Verschwörer (soweit überliefert) nationalistisch und konservativ.(10) |
(9) Beck bspw. ließ sich 1938 von seinem Amt entbinden, jedoch nicht, weil er die nationalsozialistische Expansionspolitik grundsätzlich abgelehnt hätte, sondern weil die Wehrmacht für die unmittelbar bevorstehende Kriegführung noch nicht genügend gerüstet sei.
(10) siehe auch Deutsche Tradition bei der Kampagne gegen Wehrpflicht
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Ein Beispiel von vielen: Generaloberst Erich Hoepner, der ab 1938 zur innermilitärischen Opposition gegen den NS-Staat gerechnet wird und im Zusammenhang mit dem 20. Juli hingerichtet wurde, bezeichnet den Krieg gegen die Sowjetunion 1941 als »Verteidigung europäischer Kultur gegen moskowitisch-asiatische Überschwemmung« und als »Abwehr des jüdischen Bolschewismus«. Der Krieg müsse »zur erbarmungslosen, völligen Vernichtung des Feindes« führen. Die ihm unterstellte Panzergruppe 4 übte aktiv Terror gegen die Zivilbevölkerung aus. Historisch belegt sind unter anderem die Verbrennung der Ortschaft Straschewo und die Erschießung der Einwohnerinnen und Einwohner dieses Dorfs, aber auch, dass Hoepner in einer Geheimen Kommandosache den Vorschlag unterbreitete, Giftgas zur »Bandenbekämpfung« einzusetzen. Die am Putschversuch beteiligten Militärs lehnten die deutsche Expansionspolitik nicht grundsätzlich ab. Und sie waren auch keine Anhänger der Demokratie, geschweige denn gegen den Antisemitismus. Ähnliches gilt auch für die Zivilisten, die im Rahmen des 20. Juli am Putschversuch beteiligt waren. Carl Goerdeler, der nach einem gelungenen Staatsstreich Reichskanzler hätte werden sollen, verfasste noch 1941 eine antisemitische Denkschrift, in der er eine »gesetzliche Sonderregelung zur Judenfrage« ausarbeitete. Jüdinnen und Juden sollten nach seinen Vorstellungen mehrheitlich die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren und in einem anderen Land »angesiedelt« werden. Materialien zum Widerstand gegen Nationalsozialismus Die unterschiedliche Bewertung von widerständischem Verhalten, wird auch am Beispiel der Wehrmacht bzw. der *Wehrmachtsdeserteure* deutlich. Noch immer wird den Deserteuren der Wehrmacht »Vaterlandsverrat«, »Feigheit« oder die Desertion als »Straftat« vorgeworfen, noch immer kämpfen sie um ein würdiges Gedenken. 1990 gründete Ludwig Baumann mit 36 Leidensgenossen die »Bundesvereinigung Opfer der Militärjustiz e.V.« und kämpft seither für die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure. Die Deserteure sind die einzige Gruppe von Opfern des »Dritten Reichs« und seiner Justiz, für die die Unrechtsurteile nicht pauschal gesetzlich aufgehoben wurden. Per Einzelfallprüfung ist die Aufhebung der Vorstrafe möglich, aber das lehnen Baumann und die wenigen überlebenden Deserteure als Kränkung ab. Sie wollen sich nicht noch einmal rechtfertigen, sondern sie wollen Anerkennung. Die rot-grüne Bundesregierung hatte bei ihrem Amtsantritt eine eindeutige Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure versprochen – ein Versprechen, das bis heute nicht eingelöst ist.(11) |
(11) Siehe dazu Wehrmachtsdesertation bei der Kampagne gegen Wehrpflicht
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Mehr über Wehrmachtsdeserteure Auch längst nicht alle Opfer des NS-Terrors finden ungeteilte Beachtung: Sinti und Roma oder Homosexuelle, Euthanasieopfer und immer wieder auch die Zivilbevölkerung aller von der Wehrmacht überfallenen europäischen Länder. Zum Dossier #11Es zeigt sich, dass Gedenken und Erinnern nicht objektiv sind, eine Schwerpunktsetzung kennzeichnend für politische Interessen sein kann und gerade die Auslassungen im Gedenken aussagekräftig sind. Für eine politische Praxis, für Geschichtsprojekte und Auseinandersetzungen mit deutscher Geschichte ist es wichtig, sich mit dem Kontext der Geschichtspolitik und Erinnerungskultur zu beschäftigen. Einerseits kann die eigene Motivation hinterfragt werden, andererseits steht jedes Erinnern in einem Erinnerungsdiskurs, von dem man sich gegebenenfalls explizit abgrenzen muss. Das Dossier versteht sich somit sowohl als Anregung für die Beschäftigung mit deutscher Geschichte als auch als Aufforderung dabei die Erinnerungsdiskurse zu beachten. Katharina Hamann beleuchtet in ihrem Artikel die Stationen der offiziellen Erinnerungsdebatte in der Bundesrepublik Deutschland und zeigt anhand von ausgewählten Ereignissen die Entwicklung des Diskurses. Sylvia Gössel setzt sich mit der Geschichtspolitik in der DDR auseinander. Sie geht der Frage nach, wie der Antifaschismus zur Legitimation des Staates, seiner Führung und deren Politik benutzt wurde, welche Konsequenzen sich daraus ergaben und welche Ausdrucksformen der Erinnerung sich in der DDR durchsetzten. Zudem sucht sie die Antwort auf die Frage, ob auf dieser Grundlage eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der Gesellschaft stattfinden konnte. Sebastian Kirschner befasst sich auf theoretischer Ebene mit der Eingliederung des Holocausts in eine universelle Geschichtsschreibung und der aktuellen Entwicklung einer Europäisierung der Geschichte. Salomon Korn geht in seinem Beitrag auf die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Erinnerungsarbeit zu Holocaust und Nationalsozialismus ein. Ausgehend von der verfrühten Amnestie der NS-Täter Anfang der 50er Jahre zeigt er die Auswirkung der Annahme von der »Naturkatastrophe« Nationalsozialismus auf die Erinnerungsarbeit und wirft zugleich einen Blick auf die Entnazifizierung in beiden deutschen Staaten. Er zeigt die Wechselwirkung zwischen Erinnerungsbereitschaft und nationalem Selbstverständnis auf und er fordert dazu auf, sich eine »kritische Distanz zu den Legitimationsbedürfnissen der eigenen Erinnerung und gegebenenfalls auch zu denen der eigenen Familie und des eigenen Volkes« zu erarbeiten. Der Sächsische Gedenkstättenstreit war in den letzten Monaten nicht zuletzt durch den Austritt der NS-Opferverbände und des Zentralrats der Juden aus der Gedenkstätten-Stiftung auch ein Medienthema. Martin Jander gibt einen chronologischen Überblick über die Debatte um das Sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage nach den umstrittenen und kritisierten Passagen im Gesetz und den Ablauf der Auseinandersetzungen in Sachsen. Die unterschiedlichen Positionen werden ausführlich dokumentiert und anschaulich gemacht. Auch die Diskussion um die Errichtung eines »Zentrums gegen Vertreibung« hat in den vergangenen Jahren eine heftige internationale Debatte ausgelöst. Wir dokumentieren das Interview mit Marek Edelmann, dem letzten lebenden Anführer des Aufstandes im Warschauer Ghetto 1943 und Gegner des »Zentrums gegen Vertreibung«. Die weiterführenden Links spiegeln den aktuellen Stand nach der Einigung auf ein »Europäisches Netzwerk für Zwangsmigration und Vertreibung« wider. Einen Überblick über die Rolle der Medien im Erinnerungsdiskurs gibt Mathias Berek. Dargestellt wird hier die Wahrnehmung und Diskussion von Vergangenheit. Auf einige herausragende und die öffentliche Auseinandersetzung beeinflussende Medienereignisse, wie die Serie »Holocaust« (deutsche Erstausstrahlung 1979), geht er gesondert ein. Unsere Praxisprojekte beschäftigen sich mit der Vermittlung von Geschichte und der Auseinandersetzung mit Antisemitismus in der pädagogischen Arbeit. Stefan Mannes stellt das Projekt shoa.de vor. Dieses Onlineportal bietet ausführliche Recherchemöglichkeiten für den Geschichtsunterricht und zahlreiche Texte zum Nationalsozialismus und der deutschen Geschichte. Die Bausteine gegen Antisemitismus wurden vom Bildungsteam Berlin Brandenburg gemeinsam mit dem Tacheles! e.V. entwickelt. Sie bieten Möglichkeiten Antisemitismus mit Jugendlichen zu thematisieren und richten sich vor allem an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Jugendsozialarbeit. Das Kunstprojekt »Stolpersteine« sorgt immer wieder für Schlagzeilen – sei es durch die Ablehnung der Stolpersteine durch Kulturämter oder durch die Auszeichnungen wie mit dem Max-Brauer-Preis in Hamburg im April 2004. Wir stellen das Projekt kurz vor und verweisen auf die zahlreichen Projekte in vielen bundesdeutschen Städten. Die Linkliste stellt eine Möglichkeit zur weiteren Recherche dar. Wie immer befinden sich auch im Anschluss an die einzelnen Texte und Interviews Links, Literatur- und Videohinweise, die direkt auf die Arbeit der einzelnen Gruppen und Personen verweisen bzw. weitere Rechercheansätze darstellen.
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Letzte Änderung: 2005-07-29 22:08:21 | info@d-a-s-h.org Impressum |