Was tun? Faschistische Inhalte im WWW und zivilgesellschaftliche Gegenwehr

von Katharina Hamann

»Rechtsextremisten unterwandern Neue Medien«, »Rechtsextremistischer Missbrauch des Internet«, so oder ähnlich titeln in regelmäßigen Abständen diverse Printmedien von Spiegel über PC Online bis zur regionalen Tageszeitung. Diese sensationelle Informationsaufbereitung skandalisiert eine Alltäglichkeit. Denn dass das Internet, gemeint ist in der Regel das World Wide Web, von allen möglichen Gruppierungen und Menschen genutzt wird, ist inzwischen eigentlich keine Randnotiz mehr wert. Erstaunlich wäre höchstens das Gegenteil: sogenannte rechtsextremistische Organisationen hätten beschlossen von nun an weder Handy noch Internet zu nutzen.

Dossier #4: Einblick in Projekte und Initiativen im Netz, die auf ganz unterschiedliche Weise mit rechten Inhalten im Netz umgehen. Grundlagen zur Diskussion der verschiedenen Strategien gegen Nazis im Netz.

  1. Strategien gegen rechtsextreme Inhalte im Netz
  2. Was tun?
    (Katharina Hamann)
  3. Interview mit jugendschutz.net
  4. Meldemöglichkeiten für Neonaziseiten
  5. Schüler gegen rechts
  6. XPedient.org
  7. Aktion Kinder des Holocaust
  8. Links zum Thema
  9. Termine

Die JournalistInnen greifen bei ihrer Berichterstattung in der Regel auf Zahlen des Verfassungsschutzes zurück, der von 1996 bis 1999 von einer Verzehnfachung deutscher, rechtsextremistischer Seiten im WWW spricht.(1) Klingt erschreckend. Verschwiegen wird dabei, dass in absoluten Zahlen ein Anstieg auf 330 gemeint ist, was in Relation zum gesamten Netzangebot wahrscheinlich zu gering klingen würde. Ebenso wie die MedienvertreterInnen beziehen sich die meisten GegenaktivistInnen auf den Verfassungsschutz. Problematisch ist daran nicht nur, dass die BeamtInnen eine politische Absicht mit ihren Veröffentlichungen verfolgen, sondern dass die Kriterien des Bundesamtes, die die Seiten als »rechtsextremistisch« definieren, nicht bekannt sind. Eine präzise Definition existiert nicht einmal in der »Extremismusforschung«. Der Historiker Wolfgang Wippermann behauptet gar: »Den Extremismus gibt es nur in der Phantasie der Extremismusforscher.«(2) So wird durch alle Institutionen auf die Suggestivkraft des Begriffs gesetzt, ohne dass sich die Mühe gemacht wird, die Einordnung einer Netzseite als »rechtsextrem« zu begründen. Dabei sind Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus nicht nur am rechten Rand zu finden, sondern gleichfalls auch in der Mitte der Gesellschaft beheimatet. Aber die zivilgesellschaftliche Empörung macht sich selten die Mühe, Netzseiten nach eigenen Kriterien zu analysieren. Der Status Quo wird als gegeben vorausgesetzt, ebenso wie die Notwendigkeit, genau an diesem Punkt gegen rechts vorgehen zu müssen.

(1) Bundesamt für Verfassungsschutz: Rechtsextremistische Bestrebungen im Internet. Köln, 2000
(2) Wippermann, Wolfgang: »Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein«. In: Jäger, Siegfried/Schobert, Alfred: Weiter auf unsicherem Grund. Duisburg,2000, S.21 bis 47

Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass faschistische, rassistische und antisemitische Inhalte im Netz zu finden sind. Und zwar in allen erdenklichen Abstufungen und Formen. Die Neue Rechte und »ewiggestrige« Nazis publizieren im Internet, rechts-konservative Freundeskreise, nationale Parteien, freie Kameradschaften, völkische EsoterikerInnen ebenso wie HolocaustleugnerInnen: offener und subtiler Antisemitismus, der sich in wissenschaftlichen oder satirischen Schafspelz kleidet. Das Netz wird genutzt, um für Veranstaltungen zu mobilisieren und rassistische Texte zu verbreiten, den Nationalsozialismus zu glorifizieren oder um über eine arische Revolution zu diskutieren. Und unbestritten sind diese Seiten leicht zu finden, entweder kann auf gut Glück der Name einer Organisation mit .de Endung eingeben werden, wie es mutmaßlich viele mit der NPD Seite praktizieren, oder es werden Suchmaschinen genutzt. Andere Seiten sind bekannt aus Funk und Fernsehen.

Rechte Publikationen gibt es schon länger unter den traditionellen Medien, ein Fakt, der anscheinend akzeptiert wird, denn von einer Kampagne gegen die ’Junge Freiheit’ an Bahnhofskiosken ist nichts zu hören. Ein Ruf nach Einschränkung der Pressefreiheit würde vermutlich auch eher als Affront gegen die Demokratie angesehen werden, denn als deren Stabilisierung. Anders bei Netzseiten. Hier wird, in Unkenntnis von Technik und Struktur, gerne nach Verboten gerufen, die Politik solle endlich etwas unternehmen, das rassistische Inhalte unleserlich mache. Was unterscheidet also das Medium Internet von anderen? Abgesehen davon, dass es noch nicht fest in die gesellschaftlichen Gepflogenheiten integriert ist und als schützenswertes Kulturgut angesehen wird.

Spezifische Vorteile des Internet für Rechte sind beispielsweise, dass mit relativ geringem finanziellen und technischen Aufwand jedeR UserIn selbst publizieren kann und potenziell eine große Reichweite erlangt. Der bundesdeutschen Strafverfolgung kann mit Einschränkungen aus dem Weg gegangen und indizierte Schriften können zugänglich gemacht werden. Mobilisierung und interne Kommunikation werden einfacher. Interessierte können sich anonym informieren und die Hemmschwelle, Kontakt zu faschistischen Organisationen aufzunehmen, wird zumindest reduziert.Der rechten Zerstrittenheit und der Tendenz sich in freien Kameradschaften und lockeren Aktionsbündnissen zu organisieren, wird mit dem WWW ein vernetzendes Kommunikationsmedium entgegengesetzt, das als Bindeglied unterschiedlicher Strömungen fungiert. So kommt dem Medium tatsächlich eine besondere Bedeutung in der Auseinandersetzung mit rechten Organisationen und Vereinigungen innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft zu. Allerdings sollte in der Beschäftigung eine wichtige Rolle spielen, dass die Vorteile in der Regel nur für ohnehin schon rechtes Klientel gelten. Denn auch im Internet funktioniert Medienwirkung nicht nach einem simplen Reiz-Reaktions-Modell. UserInnen, die durch Zufall oder aus Neugier rechte Inhalte im Netz lesen, werden nicht plötzlich radikalisiert. Antifaschistische Positionen und antirassistische Grundhaltungen können durch einen Kontakt mit den NPD Seiten nicht verändert werden. Man könnte meinen, eine banale Feststellung. Es scheint allerdings, als müsse sie gerade in diesem Kontext wiederholt werden. Denn die Netzaktivitäten gegen Rechts befassen sich größtenteils nicht mit den menschenverachtenden Einstellungen, die hinter rechter Gesinnung stehen, setzen nicht eigene Inhalte gegen die Propaganda, sondern wollen rechte Inhalte im Internet verbieten oder den Zugriff erschweren. Das heißt, Filtersoftware vorzustellen oder Provider dazu zu bringen, Inhalte für NutzerInnen in Deutschland zu sperren. Verkannt wird dabei der transnationale und, zumindest technisch, hierarchiefreie Charakter des Mediums, der ja bekanntlich auch Vorteile birgt und im zivilgesellschaftlichen Kontext, z.B. der Nichtregierungsorganisationen (NROs), positiv gesehen wird.

Bei der Auseinandersetzung mit Gegeninitiativen entsteht der Eindruck, sie sind dem Aufruf zum Aufstand der Anständigen gefolgt, »etwas gegen rechts« zu unternehmen. Teilweise engagieren sich MedienmacherInnen, die ansonsten nicht gerade für hohe Sensibilisierung gegenüber problematischen Inhalte bekannt sind, wie der naiin Verein (no abuse in internet,) www.naiin.de von Prof. Dr. Helmut Thoma. Nun soll nicht der Eindruck entstehen, rassistische und antisemitische Inhalte stellten kein Problem dar und sie seien als Realität hinzunehmen. Die Wirksamkeit der lediglich auf das Netz ausgerichteten Initiativen soll vielmehr hinterfragt werden. Denn selbst wenn ein Provider den Vertrag mit einer rechten Organisation kündigt, tauchen deren Seiten in kürzester Zeit bei einem anderen wieder auf. Und selbst wenn engagierte Eltern ausgeklügelte, mehrstufige Filtersoftware installieren, wechseln Jugendliche zu einem anderen Browser, surfen bei FreundInnen oder im Internetcafé. Unerwünschte Inhalte aus dem Netz zu verbannen ist nicht 100-prozentig möglich. Faschistischer Ideologie kann und muss aber etwas entgegengesetzt werden, nicht nur aber auch im WWW. Ein gutes Beispiel ist shoa.de: die BetreiberInnen setzen auf Aufklärung über die Vernichtung der Jüdinnen und Juden durch das faschistische Deutschland, den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit. shoa.de richtet sich vor allem an Jugendliche und sorgt dafür, dass bei Eingabe des Begriffs »Holocaust« in einer Suchmaschine nicht nur Seiten von AuschwitzleugnerInnen angezeigt werden. Zusätzlich können hier, wie bei den meisten Gegeninitiativen, Naziseiten gemeldet werden; im Mittelpunkt stehen jedoch die historischen Informationen. Was tun gegen Rechtsextremismus im Netz? Die Frage kann nicht abschließend beantwortet werden, konzentriert werden sollte sich allerdings auf die gesamtgesellschaftlichen Rechtsentwicklungen. Faschistische Inhalte im Internet sind nur Erscheinung und nicht Ursache der Verbreitung rechter Ideen.

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