FIFA-Weltkongress erstmalig zu Rassismus

von Gerd Dembrowski

Beim diesjährigen Weltkongress der FIFA hatte auch B.A.F.F.(1) die Möglichkeit, seine Arbeit in der deutschen Fußballfanszene vorzustellen und auf bestehenden Rassismus auch in deutschen Stadien aufmerksam zu machen.

Am 6. Juli hatte die FIFA ihre erste FIFA-Konferenz gegen Rassismus ins argentinische Buenos Aires einberufen. Immerhin nannten sie das Kind klar beim Namen – für eine Altherrenorganisation wie die FIFA ein mutiger Schritt.

Hierzulande mussten wir seit letztem Spätsommer hingegen öfter schon erfahren, dass es oft nur zu schwammigen Bekenntnissen »für Toleranz« und nicht »gegen Rechts« insgesamt, sondern wenn überhaupt, dann eben nur »gegen rechte Gewalt« kommt. Die Rechten sind hier scheinbar nur böse, wenn sie auffallen – eine Entwicklung die zu einem gesellschaftlichen Rechtsruck und oftmals toleriertem Alltagsrassismus insgesamt passen.

Dossier #2: Debatten, Aktionen und Projekte vor, die sich mit Rassismus im Stadion beschäftigen und dabei Methoden der medialen Vermittlung und Vernetzung erproben.

  1. Rassismus im Stadion
  2. Bündnis aktiver Fußballfans (B.A.F.F) – Interview
  3. FIFA-Weltkongress erstmalig zu Rassismus
    (Gerd Dembrowski)
  4. Roter Stern Leipzig ’99 e.V.
    (maso)
  5. DoppelPass on Air
  6. Stimmung machen gegen Rassismus
  7. Medienpreis Jugend gegen Rechtsextremismus verliehen
  8. Charity Award für FARE
  9. Antirassistische Fußball-WM
  10. Eurofighter
  11. Links zum Thema
  12. Termine

»Für Toleranz« gegenüber den Rechten? – Im Umgang mit ihnen fällt einem einiges ein, aber bestimmt nicht Toleranz. Ohne die gesellschaftlichen Zustände sichtbar anzutasten, gab es einen »Aufstand der Anständigen«. Auswüchse einer jungrechten Hegemonie wurden kurz ins Sommerloch gezappt, aber nicht ursächlich hinterfragt. Stattdessen dienten sie im nachhinein zweifelhaften Aussteigerprogrammen und Schlingensiefs Nazi-Theater. Beliebigkeit im Zeichen repressiver Toleranz rules, und so kommt es nicht von ungefähr, dass ausgerechnet Promis ihr »Gesicht zeigen« – im »Stern« und in abgeriegelten VIP-Bereichen auf Demonstrationen, die sie geschickt in Szene setzen: Widerstand, die Erste, bitte lächeln, Kamera läuft. Welch Zufall, dass die von der Bundesregierung im Sommer 2000 unterstützte Symbolkampagne »Gesicht zeigen!« beinahe zeitgleich im Titelsong der zweiten Big Brother-Staffel »Zeig mir dein Gesicht!« ihre beliebige Entsprechung fand. Diese Gedanken schwangen beim 14stündigen Flug nach Buenos Aires mit, denn auch der FIFA und ihrem Präsident Joseph Blatter konnte skeptisch Lobbyismus unterstellt werden. Gerade jetzt, wo die Opposition um den Schweden Johannsson kochte und die afrikanischen Vertreter leicht säuerlich wegen der postkolonialistisch anmutenden Entscheidung sind, dass die WM 2006 nach Deutschland kommt. Andererseits war der FIFA-Kongress auch eine Reaktion auf die jüngsten rassistischen Eskalationen in Italien, die die FIFA weltweit dazu bewegte, eine Bestandsaufnahme zu machen.

(1) Bündnis aktiver Fußballfans, siehe Interview in diesem Dossier

Schon im letzten Jahr hatte mir FIFA-Mediendirektor Keith Cooper erzählt, dass die FIFA endlich etwas machen muss, viele Verbände wohl aber einfach noch nicht so weit waren. Insofern also trotz aller Bedenken eine lang vorbereitete Sache, die vor allem dem Engagement des sympathischen Cooper zu verdanken ist. Im siebenstündigen Plenum mit 1500 komplett besetzten Saal des pompösen Hilton Hotels berichteten Mitgliederländer der FIFA und auch Joseph Blatter erstaunlich offen und wenig phrasenhaft vom Rassismus im Fußball ihrer Länder – und bezogen dies durchaus nicht nur auf die Fans, sondern mahnten vor der berühmten eigenen Haustür. Besonders heraus ragte die Rede des norwegischen Vertreters, der von landesweiten Demonstrationen und Projektideen berichtete, als ein Fußballfan von Nazis ermordet wurde, nachdem er in einem Interview die rechte Unterwanderung der norwegischen Fanszenen erläuterte.

Hinzu hatte die FIFA auch Pélé eingeladen, der wegen seiner kranken Tochter nur seine Rede verlesen ließ(2). Auch Kofi Annan grüßte den Kongress lediglich per Videobotschaft. Der hier ja bekannte Gewaltforsche Gunter A. Pilz forderte in seiner Rede kontinuierliche Kampagnen und Projekte, anstatt einmaliger Lippenbekenntnisse und Alibi-Aktionen. Das European Monitoring Center stellte die Vorabergebnisse einer Studie zu Fußball und Rassismus im Internet vor, an der auch B.A.F.F. beteiligt ist.

(2) zu lesen bei http://www.farenet.org/

Der französische Weltmeister Lilian Thuram richtete klare Worte an die FIFA-Gesandten, die er später so zusammenfasste: »Diese Leute meinen, dass wir Schwarzen wie Affen sind, und deswegen müssen wir uns diese ’Uh-Uh’-Rufe anhören. Dieses Verhalten gibt es überall in der zivilisierten Welt. Um die Wahrheit zu sagen: bis vor 100 Jahren haben renommierte weiße Intellektuelle argumentiert, dass die Schwarzen den Weißen unterlegen sind. Europäische Länder haben ihre industrielle und wirtschaftliche Macht auf dem Rücken der Schwarzen aufgebaut. Die ’Uh-Uh-Uh’ Rufe, die Fans heute von sich geben, sind die logische Folge dieser Kultur.«

Mittendrin war dann auch Football Against Racism in Europe (FARE), mit Kurt (Fairplay, Österreich), Piara (Kick Racism out of Football, England) Jolanta (Never again, Polen), Daniela (Unione Italiana Sport per tutti / Progetto Ultra, Italien) und ich für das Bündnis Aktiver Fußballfans. Wir stellten unser Netzwerk FARE vor und die aktuell laufenden Projekte, z. B. die antirassistische WM in Montecchio und die B.A.F.F.-Wander-Ausstellung »Tatort Stadion. Rassismus und Diskriminierung im deutschen Fußball«, die am 7. November in Berlin eröffnet wird (bei Ver.di, Dudenstr. 10). Natürlich gaben wir auch einen Überblick aus unserer Sicht, wie sich rassistische Tendenzen in Europas Stadien im Gegendsatz zur Globalisierung etablieren. Ich durfte deutsch reden, weil dies zur Kongresssprache zählte – und dementsprechend dann in sechs weitere Sprachen übersetzt wurde. So kam die B.A.F.F.-Arbeit insgesamt ganz gut zur Geltung, aber vor allem auch, dass Rassismus und Diskriminierung nicht allein ein Fanproblem darstellen, sondern struktureller Rassismus und manchmal fragwürdige Aussagen von Spielern und Funktionären den Alltagsrassismus auch im Fußball fördern. Das Fußballstadion dient den rechten Fans und organisierten Neonazis dann als Bühne, auf der sich – wie unter einem Brennglas – der gesellschaftlich tolerierte Alltagsrassismus als Teil der Jugendkultur offen äußert.

Ergebnis des FIFA-Kongresses war eine Resolution, die sich durchaus sehen lassen kann und den alten 9-Punkte-Plan gegen Rassismus von B.A.F.F. bei weitem übertrifft (zu lesen bei www.fifa.org). Sie umfasst z. B. detailliert die Forderung nach Antirassismus-Beobachtern bei jedem Verband, nach einem Antirassismusparagraphen und nach einem Dialog zwischen Verbänden und Fangruppen. Wir werden sehen, ob es wieder mal nur eine Resolution für die Schublade ist, oder ob hierzulande der DFB und die Politik für die Umsetzung einiger antirassistischer Ideen im Fußball neben der herkömmlichen Fanprojekt-Arbeit eintreten werden.

Dieser Bericht findet sich auch unter http://www.uebersteiger.de/54/fare.html

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