Rechtsextremer Einfluss auf Jugendmusik

Von Mario Ruoppolo

Prägung politischer Images von Musikgenres

Popmusik gilt als selbstverständlicher Teil demokratischer Alltagskultur. Doch längst haben rechtsextreme Gruppen die Bedeutung von Alltagskultur erkannt und in ihre politischen Strategievorstellungen integriert. Der rechtsextreme »Kulturkampf« zielt klar auf die Unterwanderung unterschiedlicher Musikszenen und der damit verbundenen Jugendstile. Ob Oi, Liedermacher, Dark Wave, Metal, Techno oder HipHop – in allen Richtungen tummeln sich rechtsextreme Gruppen. Das Ziel dabei ist klar: die Präsenz rechtsextremen Gedankengutes im kulturellen Schafspelz soll den Zulauf der Jugend zur rechten Seite sichern, denn politische Organisationen alleine besitzen keine grosse Attraktivität mehr unter den Heranwachsenden. Ebenso ergeht es klassischer rechter Musik, die sich in Landser- und Wehrmachtsliedern repräsentiert und heute vor allem bei Neonazidemonstrationen aufgeführt wird. Diese stereotypen rechten Klangbilder, bestehend aus den Eckpfeilern Militär, Männer und Marschmusik, stossen bei Jugendlichen heute kaum auf Interesse. Musik ist für sich genommen politisch nicht vorbestimmt: Ein Akkord ist weder rechts noch links, noch menschenverachtend oder solidarisch.

Dossier #5: Unsere Texte zum Thema beleuchten zum einen die rechten Tendenzen und deren Ausbreitung in den unterschiedlichen Musikszenen (Hip Hop und Dark Wave)

  1. Gegen rechten Einfluss auf Musik & Jugendkultur
  2. Rechter Einfluss auf Jugendmusik
    (Mario Ruoppolo)
  3. Musik von Rechts
    (Christian Dornbusch und Jan Raabe)
  4. Nationalisierung durch Musik
    (Martin Büsser)
  5. Neue Deutsche Battlehärte
    (Hannes Loh)
  6. Rechte Tendenzen in Wave und Gothic
    (Arne Gräfrath)
  7. Good Night White Pride
  8. Vernetzung in Sachsen
  9. No historical Backspin
  10. Grufties gegen Rechts
  11. Musikwettbewerbe gegen rechts
  12. Links, Books, Glossar

Dennoch ist Musik vom Verwendungszusammenhang geprägt und kann damit neutrales Transportmittel für Ideologien sein.(1) Schon der simple Austausch von Texten in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts machte aus Arbeiterliedern der KPD Kampfgesänge der NSDAP (dies geschah auch vice versa) – ermöglicht hat diese »Übernahme« die gemeinsame militaristische Ästhetik. Nach diesen ästhetischen Ähnlichkeiten halten auch heute rechte Gruppierungen Ausschau, bevor sie in das jeweilige Musikgenre einfallen und die verwendeten Stile für sich umdeuten. Im Bereich Dark Wave ist die Benutzung heidnischer und germanischer Symbole als Ausdrucksweise mystischer Verbundenheit mit den Vorfahren und dem Tod sehr populär – die Nähe zum Germanenkult machte diese Szene für eine Einflussnahme durch Rechts attraktiv.(2)

(1) siehe auch Text von Peter Wicke
(2) siehe auch den Beitrag von Arne Gräfrath »Rechte Tendenzen in der Wave- und Gothic-Szene«

Die gewalt- und kriegsverherrlichenden Züge der Metal-Spielarten (Heavy-, Black-, Speed-Metal) und die teils mit nordischen Mythologien durchsetzten Texte prädestinierte diese Musikrichtung für eine Radikalisierung vor allem in antisemitischer Hinsicht.(3)

Die Entstehung des Fascho-Rock(4) macht klar, dass schnelle, harte und laute Musik gepaart mit Männlichkeitskult und simplen rassistischen Vorurteilen sehr wohl Ausdruck einer rechten weissen Jugendkultur sein kann, auch wenn die musikalischen Wurzeln eindeutig schwarz sind. Selbst HipHop, die Self-Made-Kultur der Afroamerikaner, wird in deutschen rechtsextremen Internetforen für würdig befunden »okkupiert« zu werden, weil HipHop mit deutschen Texten so populär geworden ist.(5)

(3) siehe auch den Beitrag von Dornbusch und Raabe »Musik von Rechts«
(4) siehe auch Verfassungsschutzbericht
(5) siehe auch den Beitrag von Hannes Loh »Neue Deutsche Battlehärte«

Gesondert von den politisch motivierten Einflussnahmen sind die unter der Etikette »Neue deutsche Härte« firmierenden und mittlerweile chartstürmenden Bands wie »Rammstein« und »Witt« zu betrachten. Sie machen sich die Ästhetik der NS-Propaganda-Symbolik in ihren Videos und Live-Auftritten vor allem aus kommerziellen Absichten zu eigen, ohne tatsächlich einen rechtsextremen Standpunkt einzunehmen. Das zweifelhafte Kokettieren mit der rechten Käuferschicht, gepaart mit dem Interesse der Musikindustrie an einer »deutschen Pop-Identität« lässt das Publikum jedoch im Unklaren über die tatsächliche politische Intention der Künstler.(6)

(6) siehe auch den Beitrag von Martin Büsser »Neue deutsche Härte – Nationalisierung durch Musik«

Einflussnahme von rechts – Dimensionen der Betrachtungsweise

Bei der Unterwanderung durch die Rechten in die jeweilige Musikszene handelt es sich nicht um einen simplen Einfall in ihnen mehr oder weniger unbekannte Gebiete, sondern um komplexere soziale Vorgänge. Rechte Jugend- und Popkultur besteht aus einem vielschichtigen Zusammenspiel von Kleidung, Musik, Haartracht, Freizeitverhalten, politischer Gesinnung, Lektüre von Texten, Insider-Wissen und Kenntnis der »richtigen« Symbole. Wenn in den Medien »Rechtsrock« wieder einmal Thema ist, wird meist nur über die spektakulären und abstossend-schillernden Protagonisten der Szene berichtet. Die Hörer und Käufer stehen selten im Mittelpunkt, weil sie mitunter schwer auszumachen sind: wer eine »Landser«-Kassette im Autoradio hat, muss sich heute noch lange kein Skinhead-Outfit zulegen. Will man sich umfassend mit dem Phänomen »Musik als Ausdruck rechter Jugendkultur« beschäftigen und somit auch Anlässe und Ursachen dafür ergründen, kommt man um die Beantwortung dreier Fragen nicht herum: Wer hört rechte Musik? Wer macht rechte Musik? Wer macht rechte Musik bekannt?

1. Wer hört rechte Musik?

Um die Einstellungen von Jugendlichen zu verstehen, muss betrachtet werden, unter welchen sozialen, kulturellen und politischen Einflüssen sie stehen. Besonders die Beschaffenheit der sozialen Infrastruktur (Jugendzentren, Freizeitangebote auf kommunaler und Länderebene) spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung eines eigenen Standpunktes. Auch wer sich selbst für eher unpolitisch hält, steht in der Gruppe irgendwann vor der Frage, ob man nun »für oder gegen Ausländer ist«. Die bezogene Position wird gerade in ländlichen Gegenden oder Kleinstädten nicht immer von der eigenen Haltung bestimmt: Die Ausübung einer kulturellen Vorherrschaft in Verbindung mit repressiven Strukturen gelingt den Rechten dort in der Regel leichter.(7)

(7) siehe auch Jürgen Elsässer zum Begriff »National befreite Zone«

Das heisst im Klartext: Wer sich nicht einem rassistischen Weltbild anschliesst und dementsprechende Musik konsumiert, wird schnell zum bedrohten Aussenseiter (von Beleidigung bis zu physischer Gewalt). Im Gegensatz dazu sind in Grossstädten alternative Lebensräume meist in grösserer Anzahl und in verschiedensten Ausprägungen vorhanden, sodass sich Jugendliche nicht zwangsläufig einem politisch erzeugten Druck beugen müssen. Die grösseren Wahlmöglichkeiten für eine individuelle kulturelle Orientierung schliessen natürlich nicht aus, dass man mit den Verbreitungsbestrebungen rechten Gedankengutes nicht in Berührung kommt. Die Anonymität der Grossstadt und die meist vorhandene grössere Toleranz der Erwachsenenwelt gegenüber jugendlichen Kleidungsstilen ermöglicht es dem Konsumenten rechter Musik sogar, in der Mitte der Gesellschaft zu bleiben.(8)

(8) siehe auch Burkhard Schröder in »Nazis sind Pop«

Schaut man sich die jugendlichen Hörer rechter Musik genauer an, kann man drei Typen charakterisieren: Dem politisch überzeugten ist das Format rechten Gedankengutes in der Musik gleichgültig – Hauptsache, die Aussage stimmt und es ist rechts. Es spielt weniger eine Rolle, ob die Songs als Dark Wave, in Liedermacher-Art oder Marschmusik gespielt werden. Der musikalische historische Ursprung (Rock and Roll als Weiterentwicklung des schwarzen Rhythm & Blues) und auch der aktuelle Kontext (HipHop als Migrantenkultur) wird dabei bewusst unterschlagen. Der Kleidungsstil dieses Typus muss keinem Dogma entsprechen. Unpolitische Musikfans dagegen orientieren sich vor allem am individuellen ästhetischen Kontext – die inhaltlichen Aussagen sind zweitrangig. Auch das Outfit wird immer szenespezifisch sein. Wer also auf Heavy Metal steht, kann ebenso Lieder von Nazibands hören, solange sie typisch für ihr Genre klingen und sie ihm gefallen. Die »Liebe zur Musikrichtung« wird hier immer vor die Aussage der Macher gestellt. Dieser Typus stellt die wichtigste Zielgruppe für Unterwanderungsbestrebungen rechter Musikmacher dar. Dem dritten Typ ist die »Echtheit« der Produzenten am wichtigsten: die Ähnlichkeit sozialer Verhältnisse und »street credibility« spielen eine grosse Rolle. Musik und Text als Ausdrucksmittel müssen keinen hohen Ansprüchen genügen, solange man sich mit den Bandmitgliedern identifizieren kann – beispielsweise, weil man aus demselben Stadtviertel oder einer Clique kommt. Auf musikalische Qualität oder textliche Meisterleistungen wird dabei kaum geachtet. Diesen Typ findet man vor allem im Bereich der Nazi-Skin-Bands, dementsprechend ist das martialische Auftreten (Bomberjacke, Springerstiefel, Kurzhaarsschnitt).

2. Wer mach rechte Musik?

Auf Seiten der rechten Musikmacher sind der autonom agierende Underground und der an Top-Ten-Charts orientierte Overground zu unterscheiden. Ersterer zeichnet sich durch rohe und ungeschliffene fremdenfeindliche Aussagen aus und orientiert sich nicht an den gängigen Vermarktungsstrategien der Musikindustrie: Tonträger werden selbst kopiert, finanziert und vertrieben. Die Anbindung an lokale politische Gruppen und Bewegungen ist eng. Die Texte werden nicht vom befreundeten Anwalt juristisch überprüft, wie das bei verkaufsorientierten Bands der Fall ist. Nichtsdestotrotz geniessen die Bands des Undergrounds (Oiphorie, Landser) eine grosse Popularität in der rechten Szene gerade wegen der extremen und drastischen Äusserungen in ihren Liedern.(9) Mit rechtlich unbedenklichen Zweideutigkeiten in ihren Texten versuchen hingegen Vertreter des Overgrounds (z.B. Böhse Onkelz) so viele Hörer und Käufer wie möglich zu bekommen. Statt nationalsozialistisch wird deutschnational mit starkem patriotischen Pathos gesungen. In letzter Zeit kann man häufiger in den Texten eine national motivierte aber simple Kapitalismus-, Globalisierungs- und Medienkritik finden. Die Arrangements und Produktionsbedingungen sind dabei auf einem hohem Niveau und stehen dem des populären Mainstream in nichts nach.

(9) siehe auch Text von Lutz Neitzert

3. Wer macht rechte Musik bekannt?

Die Anschläge auf ausländische Menschen in Deutschland in den Jahren 1992/1993 (z.B. Hoyerswerda, Solingen, Mölln) waren für die Massenmedien Anlass, die rechte Szene und ihre Erscheinungsbilder zu thematisieren. Die für die Medien offensichtlich interessanteste Ausdrucksform rechter Jugendlicher fanden sie in den Nazi-Ideologie strotzenden Rockbands. »Fascho-Rock« wurde zum Mediahype und damit auch die letzte Garagenband der eigentlich sehr überschaubaren rechten Musikszene zum Trendsetter hochgespielt. Damit hatten sie diese musikalische Form der »Meinungsäusserung« für Rechte erst richtig populär gemacht und auch die öffentlichkeit in dem Glauben gelassen, es handele sich bei den Nazi-Bands um eine Massenerscheinung. Dieser Verstärkerfunktion wurde oder wollte sich das Fernsehen nicht bewusst (werden). Das Diktat der Quote und die Suche nach dem aktuellen Skandal stand bei der Art und Weise der Aufbereitung immer im Vordergrund. So konnte es nicht verwundern, dass mit der Abnahme der Anschläge auf Flüchtlingsheime auch die »Attraktivität« der Thematik für die Massenmedien abnahm: Mitte der 90er Jahre entstand in der öffentlichkeit der Eindruck, die »unbehagliche Sache« hätte sich erledigt. Dies entsprach aber keineswegs der tatsächlichen Entwicklung, denn diesen medialen Windschatten wussten nun die Produzenten der rechten Musikszene durchaus für sich zu nutzen und bauten Vertriebe, Verständigung über Produktionsweisen und die Absprachen für Konzertorganisationen weiter aus. In dieser Zeit fand auch die Zweiteilung der Szene statt: Einerseits in den mainstream-orientierten Overground und andererseits in den Underground, der sich der Indizierung der Lieder nicht widersetzte. Problematisch ist nach wie vor die Konzentration in der seltener gewordenen Berichterstattung auf gruselig-schaurige Erscheinungsbilder von Fascho-Rockbands: Schlechte Videoaufnahmen des Staatsschutzes von illegalen Naziskinhead-Konzerten sowie die Abbildung martialisch gestalteter CD-Cover ziehen potentielle Interessenten eher an. Auf die brisante Bedeutung dieser Konzerte wird jedoch kaum aufmerksam gemacht: Als Treffen Gleichgesinnter stärken die Konzerte das Gemeinschaftsgefühl und dienen darüber hinaus der Kommunikation und als Forum zum Knüpfen von Kontakten und Austausch von Informationen.(10)

(10) siehe auch Toralf Staud in der Zeit

Der unpolitische Musikfan wird unweigerlich mit Inhalten und den damit verbundenen Riten(das Rufen neonazistischer Schlachtrufe oder das Mitsingen einschlägiger Refrains) konfrontiert. Statt auf diese Sachverhalte hinzuweisen wird in den Massenmedien der Zusammenhang zwischen rechten Musikmachern und Konsumenten meist nur dann hergestellt (oder gemutmasst), wenn straffällig gewordene Jugendliche eindeutig zuordnungsbare Outfits tragen oder auffällig gewaltverherrlichende Musik hören. Von einem analytischen und verantwortungsvollen medialen Umgang mit dem Thema »Rechter Einfluss auf Musik der Jugendkultur« kann kaum die Rede sein.

Strategien gegen neonazistische Unterwanderungskonzepte

Funktionierende Strategien und Initiativen gegen die Unterwanderungsbestrebungen von Jugendmusikkultur durch die Rechtsextreme kommen in der Regel aus den jeweiligen Szenen selbst: Die Erfahrung von Aktivisten zeigt, dass sich eine weniger oberflächliche Auseinandersetzung über Herkunft, Ausdrucksmittel und Entstehungsgeschichte der favorisierten Kultur lohnen kann (siehe auch den Beitrag zu »Good Night Wide Pride«). Dieses Geschichtsbewusstsein der eigenen kulturellen Ausdrucksweise gegenüber kann den Blick für rechtsextreme Einflussnahmen klären und gewissermassen vorbeugende Wirkung haben: Der an Dark Wave interessierte »Gruftie« wird so eher feststellen können, auf welch schmalem Grat zwischen Kunst und Politik seine favorisierten Bands mit Themen wie Okkultismus und Neoheidentum balancieren (siehe auch den Beitrag zu »Grufties gegen Rechts«). Die textliche Abgrenzung von Szene-Protagonisten gegen Unterwanderungs- und Umdeutungskonzepte kann ebenso eine erfolgreiche Signalwirkung haben.(11)

Bestehen die populären Künstler der jeweiligen Szene öffentlich auf Authentizität und Integrität, klären sie damit die Hörer der Musik auf und lenken ihre Aufmerksamkeit auf die Problematik der Vereinnahmung (siehe auch das Interview mit Brothers Keepers). Zur Absicht der Rechtsextremen, aktuelle Musikstile zu unterwandern und als Ausdruck rechter Jugendkultur umzudeuten, ist nochmals festzuhalten: Weder in den Wurzeln von HipHop, Rock’n’Roll, Techno oder Reggae finden sich rechtsextreme oder fremdenfeindliche Positionen. Dennoch wurden und werden in all diesen Bereichen mehr oder weniger erfolgreiche Versuche unternommen. Der Vorwurf des permanenten Plagiats, also der Einverleibung von Ausdrucksmitteln die definitiv »undeutsch« und nicht rassistisch sind, müsste die Nazis eigentlich hart treffen – die kreative Abstammung nahezu aller Spielarten von Musik stammt von den Menschen, die sie eigentlich bekämpfen wollen.

Kann man einigen Musiksparten einen gewissen rebellischen Charakter unterstellen, der letztlich die Auflehnung der Jugendlichen gegen konservative gesellschaftliche Zustände abbildet, so gibt es bei der Musik an sich keine politischen Vorzeichen. Musik ist jedoch kein Gegenstand ohne Geschichte – heute gibt es sogar einen regelrechten Kampf um die Vorherrschaft der verwendeten Stilmittel: Nazirock und Punkrock wären ohne die Texte kaum voneinander zu unterscheiden. Waren Hakenkreuz-T-Shirts ebenso wie Sicherheitsnadeln im Ohr bei den Pionieren des Punkrock (Sex Pistols in den 70er Jahren) blosse Provokation gegenüber dem Establishment, so sind heute faschistische Symbole generell geächtet. Die Rechtsextremen haben sich also die rebellische und einfach zu erstellende Musik der 3-Akkord-Lieder zu eigen gemacht, nicht zuletzt, weil auch sie damit aufgewachsen sind. Dazu schreibt Burkhard Schröder in »Der lange Marsch in den Mainstream«: »Rechtsrock ist zum einen ein Initationsritual für die aufbegehrenden Underdogs am Rande der Wohlstandsgesellschaft. (…) Rechte Musik ist zum anderen eines der letzten Dissidenz-Reservate für Jugendliche und bezieht daher ihren Reiz.« Doch nicht nur Nazis bedienen sich dieser »aufrührerischen« Stilmittel: die Musikindustrie hat längst selber »Punkbands« geschaffen, die, etwas polierter natürlich, zu einem festen Bestandteil der Popmusik geworden sind.

Die Bedeutung dieses Kampfes um kulturelle Identität bzw. die Vorherrschaft über Stilmittel und Symbole von Jugendkulturen ist nicht zu unterschätzen – man muss sich ihrer aber vor allem bewusst werden. Die Auseinandersetzung um ursprüngliche Stile und deren glaubhafte Aneignung und Verwendung kann eine wirksame Voraussetzung sein, der Fremdaneignung durch Rechtsextreme oder Kommerzialisierung entgegenzuwirken: durch Stärkung der eigenen Szene, eigene aktive, kreative Mitwirkung und dem Verantwortungsbewusstsein den Mitgliedern und Anhängern gegenüber, dazu die Beiträge über die Initiativen »Vernetzung in Sachsen« und »No Backspin«.

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Feedback

Prinzipiell find ich den Text total gut, auch wenns für mich nicht unbedingt neu ist.

auf jeden fall gut gegliedert und relativ übersichtlich, nicht zu wissenschaftlich aber trotzdem fundiert. allerdings fehlt mir etwas der blick auf Oi- und Skinheadmusik, Ska und Punk’n Roll. Große Oi- und Skinbands (unpolitisch und vor allem die großen Herden aus England wie 4 skins, cockney rejects, cock sparrer usw.) werden kaum berücksichtigt, obwohl gerade die von nahezu allen birnen behört werden. gerade die sich extrem an der grenze zur nazimusik befindlichen bands spielen eine große rolle für leute die sich nicht zwischen den lagern entscheiden können und beide konsumieren. ich meine da vor allem die skandinavischen bands wie ultimatule bei denen eine andere zivilisation grund für ihre zweideutigen und patriotischen texte sind. bands die dort teilweise anerkannt in der punkszene anzuordnen sind würden in deutschland vermutlich zur rechten ecke gezählt werden. vielleicht sollte man auch die unterschiedlichen länderspezifischen einstufungen zur rechten szene erwähnen und das skinheadmusik und -kultur nicht gleich nazischeiß ist.

fraglich finde ich allerdings die zuordnung der böhsen onkelz zum rechten overground. wie gesagt waren es ganze drei texte mit rechten inhalten und die sind fast 20 jahre her. im moment spielen sie in der rechten szene nur noch die rolle einer deutschsprachigen rockkapelle, und natürlich das ihre lieder vergangener tage noch immer gern gehört werden. ihre distanzierung zu den politischen lagern links wie rechts ist nahezu allgegenwärtig. man treibt durch eine undifferenzierte oder falsche bewertung dieser band sie nur zurück ins rechte lager, wo sie von den birnen teilweise als verräter gesehen werden.

''schmidt''