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»Neue deutsche Härte« – Nationalisierung durch Musik
von Martin Büsser
»Neue deutsche Härte« lautet die Etikette, unter der Bands wie »Rammstein«, »Lacrimosa«, »Witt« oder »In Extremo« gehandelt werden. Ihre Musik lässt sich als eine Mischung aus Metal, Hardcore, mittelalterlicher Folklore und martialischen EBM-Rhythmen, manchmal auch Gothic und Dark Wave (bei »Witt«) beschreiben, gerne also als Mix aus sowohl brachialen wie sentimentalen Elementen. Allerdings versteht sich keine dieser Bands explizit als rechts. Und doch haben zwei Videoclips nicht ohne Grund eine Diskussion darüber entfacht, inwieweit mit diesen Band eine rechte Ästhetik auf symbolischer Ebene wieder hoffähig gemacht wird. »Stripped«, ein Video von »Rammstein«, bestand aus einer Montage von Filmsequenzen aus Leni Riefenstahls propagandistischem Olympiade-Film, unkommentiert und ohne genaue Hinweise auf den historischen Kontext inszeniert; das Video von Joachim Witts »Die Flut« zeigte einen in weiss gekleideten »Herrenmenschen«, der über auf dem Boden durch den Schlamm kriechende Massen von »Untermenschen« zu einem Boot schritt und die grosse, allen Schlamm wegspülende Flut besingt. Assoziationen zum »Das Boot ist voll« – Slogan der Volksparteien sind hier ebenso naheliegend wie zu antisemitischer Nazipropaganda, etwa der Darstellung von Juden als Rattenplage. Um zu verstehen, wie eine solche Ästhetik mit all ihren politischen Implikationen in den Pop-Mainstream hat Einzug finden können, ist eine kurze Vorgeschichte notwendig. Mitte der 1990er Jahre, zu einer Zeit, als hierzulande vor allem eine Jugendkultur die Medien beherrschte, nämlich die brandmordenden Neonazis, fiel einigen Vertretern des Musikgeschäfts nichts besseres ein, als sich für eine Neubewertung deutschsprachiger Musik im Sinne »deutscher Pop-Identität« (Dieter Gorny) auszusprechen. Heinz Rudolf Kunze forderte im Interview mit dem »Spiegel« eine Radioquote für deutsche Musik nach französischem Vorbild und bedauerte, dass Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg musikalisch von »ausländischem Schund« heimgesucht worden sei, ganz so, als sei deutsche Popmusik je frei von der – fragwürdig subjektiven – Kategorie Schund gewesen. Altrocker Achim Reichel formuliert es noch etwas schärfer: »Jetzt, da die Siegermächte ihre letzten Besatzungstruppen abgezogen haben, müsste es doch das Interesse einer jeden Partei sein, unserem Land nicht seine eigene Gegenwartskultur vorzuenthalten.« Und spricht schliesslich im Branchen-Fachblatt »Rockmusiker« (1996) »von einer beispiellosen Vernichtungsaktion unserer einheimischen Musik«. »Viva«-Chef Dieter Gorny schliesslich erfüllte die Quote und verkündete allen stolz, ob sie es hören wollten oder nicht, dass auf seinem Sender 40% deutsche Produktionen gespielt würden. Es würde hier zu weit führen, die Ursachen für eine so geballte Renationalisierungs-Attacke in der Popbranche zu analysieren, bei der mehr oder minder verhaltener Chauvinismus mit Profitinteressen Hand in Hand ging. Interessant ist jedoch, dass genau diese Debatte den Nährboden für das Aufkommen der »Neuen deutschen Härte« bildete, also für eine Popästhetik, die ein ganz neues (und andererseits auch nur allzu bekanntes) Bild von Deutschsein, von »deutscher Pop-Identität« in den Charts und Videokanälen etablierte. Es macht wenig Sinn, explizit rechte Inhalte aus Texten von Bands wie »Rammstein« lesen zu wollen; Reaktionäres und Faschistisches drückt sich bei ihnen vielmehr auf der Ebene neuer Körperbilder aus, wo Männlichkeit und athletische Körper als Wert im Sinne des »Survival of the Fittest« heroisiert werden – »Rammstein« im Interview mit dem Veranstaltungsmagazin »Concert«: »Wir sind ’ne Rotte. Ein Rudel, wo sich die, die am lautesten bellen, durchsetzen.« Entsprechend auf Unterdrückung und Gehorsam angelegt ist auch das Frauenbild, das »Rammstein« präsentieren, nachzuhören auf »Rein raus«, einem Song ihres jüngsten Albums »Mutter«: Ich bin der Reiter Die »Neue deutsche Härte« spielt in mehrfacher Hinsicht mit dem Feuer und versucht zugleich, sich jeglicher politischer Verantwortung zu entziehen. In einem Interview mit »Visions« äusserten sich Rammstein: »Motor (die Plattenfirma, d.V.) verlangte ganz am Anfang mal, dass wir wie die Krupps ein durchgestrichenes Hakenkreuz mit Papierkorb auf unsere Platten malen, denn EBM galt als rechts. Aber so sind wir nicht. Warum sollten wir uns im Vorfeld für etwas entschuldigen, was mit uns gar nichts zu tun hat?« Diese Äusserung ist lachhaft: Wenn eine Band mit rechter Ästhetik assoziiert wird, dann nicht »Die Krupps«, sondern »Rammstein«. Es passt jedoch zum neu erstarkten Nationalismus, Feuer, Muskeln und Trommelwirbel so zu betrachten, als ließe sich diese Ästhetik völlig von den mit ihr verbundenen politischen Traditionen und Ritualen loskoppeln. Der Regisseur des berüchtigten »Stripped«-Videos von »Rammstein« beteuerte, er habe bewusst darauf geachtet, nicht nur Hakenkreuze, sondern sämtliche Elemente rauszuschneiden, die auf den historischen Kontext (der Nazizeit) verweisen. Genau dieses Herauslösen aus dem Zusammenhang spricht der Nazi-Ästhetik jedoch einen zeitunabhängigen Reiz zu und enthebt sie jeglicher politischen Dimension. Dies unterscheidet die »Neue deutsche Härte« vom Rechtsrock: Sie benutzt nicht rechte Ideologie, sondern »nur« rechte Bilder im naiven Glauben, dass deren Faszination ohne ideologischen Überbau ungefährlich, am Ende gar unpolitisch sei. Von Martin Büsser erschien kürzlich: »Wie klingt die Neue Mitte? Rechte und reaktionäre Tendenzen in der Popmusik«, Mainz: Ventil Verlag 2001, 142 Seiten, 11,90 Euro. Der Beitrag erschien zuerst im Fachinformationsdienst Der Rechte Rand, Heft 74 Nächster Artikel: Neue Deutsche Battlehärte |
Dossier #5: Unsere Texte zum Thema beleuchten zum einen die rechten Tendenzen und deren Ausbreitung in den unterschiedlichen Musikszenen (Hip Hop und Dark Wave) » Gesamtes Dossier als PDF-Datei
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Letzte Änderung: 2005-05-22 22:55:56 | info@d-a-s-h.org Impressum |