»Besser die als keine«

von Sylvia-Yvonne Kaufmann

Sylvia-Yvonne Kaufmann (PDS), Europaabgeordnete, Mitglied des Verfassungskonvents, Mitschnitt einer Veranstaltung zum Thema »besser die als keine« zur Europäischen Verfassung des ESF in Chemnitz, Juni 2004

Insgesamt waren es 105 Personen, die an dem gesamten Weg der europäischen Verfassung direkt mitgearbeitet haben. Aus der Bundesrepublik sechs: fünf Männer und ich, als einzige Frau aus der Bundesrepublik. Ich habe mich sehr lange mit all diesen Themen befasst und es war auch eine sehr interessante politische Erfahrung, an diesem Projekt »Europäische Verfassung« mitzuarbeiten. Wirklich wichtig ist am Anfang die Frage, wie ist das Ganze entstanden und wie ist der Demokratiebereich gestaltet.

[…]

Der Verfassungskonvent hat anderthalb Jahre lang öffentlich gearbeitet, im Jahr 2002/2003. Es hat nicht nur keine Geheimsitzungen gegeben, sondern es hat öffentliche Beratungen darüber gegeben, wie die Europäische Union reformiert werden kann und soll, damit sie erweiterungsfähig ist. Das heißt, der Diskussionsgegenstand war, die gesamteuropäische Union, damit sie mit 25 Staaten oder 27 Staaten ab 2007 überhaupt in der Lage ist, als Europäische Union Politik zu entwickeln und weil dann natürlich auch Weltpolitik entwickelt werden soll. Das ist eine totale Neuerung gewesen in der europäischen Geschichte, so etwas hat es noch nie gegeben. Viele kennen das vielleicht vom Stichwort her, der Vertrag von Maastricht, ein sehr wichtiger Punkt in der europäischen Geschichte, wo die Wirtschafts- und Währungsunion als Kernbestandteil entschieden wurde. Und wir bezahlen ja inzwischen mit dem Euro. Diese Verträge sind bisher immer nur von Regierungen verhandelt wurden und Regierungsverhandlung bedeutet, das hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde auf der Ebene der Staatssekretäre oder beauftragter Beamter der jeweiligen Regierung. Und nachdem sozusagen das Gesamtpaket fertig war, hatten die Parlamente immer nur die Möglichkeit, den Gesamttext abzunicken oder nicht abzunicken. Also es konnte hinterher kein einziges Komma mehr geändert werden, weil es eben Ergebnis eines Verhandlungsprozesses war.

Der jetzige Vertrag, der die Europäische Union kennzeichnet, ist der Vertrag von Nizza. Der ist im Jahr 2000 verabschiedet worden. Und es ist völlig klar, dass dieser Vertrag von Nizza allen Herausforderungen, die die Europäische Union zu erfüllen hat, definitiv nicht gerecht wird. Der Vertrag von Nizza führt die Europäische Union in eine Sackgasse. Die erweiterte Europäische Union wird nicht handlungs- und funktionsfähig sein, geschweige denn wird sie in irgendeiner Weise den Herausforderungen gerecht werden können, die vielen Menschen sehr wichtig sind und die Politikerinnen und Politikern der Linken insbesondere sehr wichtig sind, nämlich zum Beispiel die Weichen in Richtung eines sozialen Europa zu stellen. Wir haben einen Status quo, der politisch absolut inakzeptabel ist.

Das Dossier # 12 befasst sich mit dem Zustandekommen der EU Verfassung und den Diskussionen, die sie ausgelöst hat sowie mit den Vorstellungen von einer europäischen Identität und was diese bestimmen könnte.

  1. EU-Verfassung und europäische Identität
  2. Von der Wirtschaftsgemeinschaft zum Nationalstaat?
    (Katharina Hamann)
  3. »Besser die als keine«
    (Sylvia-Yvonne Kaufmann)
  4. Demokratisierung der EU?
    (Norman Paech)
  5. Wofür dient eine europäische Identität?
    (Dr. Jochen Roose)
  6. Europas Suche nach einer kollektiven Identität
    (Anna Pollmann)
  7. Gleichstellung der Frauen im Verfassungsentwurf
    (Mercedes Mateo Diaz, Susan Millns)
  8. Gegen diesen EU-Verfassungsentwurf
    (Tobias Pflüger, MdEP)
  9. Die Militarisierung Europas
    (Redaktion Informationen zur Deutschen Außenpolitik)
  10. Flüchtlingsabwehr und Lagerpläne
    (Cornelia Gunßer, Flüchtlingsrat Hamburg)
  11. Fortress Eastern Europe
    (Laure Akai, Bez Granic (polnische Organisation »Ohne Grenzen«))
  12. Einmal Novi Sad und zurück
    (Suse Lang, D-A-S-H europe)
  13. Weiterführende Materialien

Da dieser Vertrag von Nizza die Europäische Union selbst aus Sicht der Herrschenden funktionsunfähig und nicht sozusagen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden lässt, haben sie selbst praktisch so eine Art Analyse vorgenommen, vor welchen Problemen die Europäische Union, wenn sie sich erweitert, steht. Der Text heißt »Erklärung von Laken«, im Jahr 2001 verabschiedet von den Staats- und Regierungschefs, Überschrift »Europa steht am Scheideweg«. Dieser Text enthält unter anderem über 60 Fragen ungelöster Probleme europäischer Politik und neben diesen 60 Fragen enthielt er auch einen Beschluss, dass ein Konvent eingesetzt werden soll, der versuchen soll, Lösungen für alle dieses Fragen zu finden. Fragen, die zum Teil seit Jahrzehnten in Europa diskutiert wurden und wo es keine übereinstimmende Meinung zwischen den verschiedenen beteiligten Staaten gab, eben weil die Vorstellung darüber, wie sich Europa entwickeln soll, ausgesprochen unterschiedlich sind. Nicht nur zwischen den einzelnen Regierungen, sondern natürlich zwischen den einzelnen politischen Kräften, zwischen verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen und so weiter. Also wie könnte man sozusagen diese Fragen beantworten? Indem eine Lösung gefunden wird, der alle zustimmen können. Insofern wirklich was ganz Neues in der europäischen Politik – ein Konvent, der öffentlich darüber verhandelt hat, wie die EU-Verträge zu ändern sind, damit die Europäische Union die Chance hat, überhaupt erweiterungsfähig und funktionsfähig zu werden.

Was ist das Kernproblem? Dieser Konvent war mehrheitlich parlamentarisch besetzt, das heißt, wir haben erstmals nicht die Verhandlungen zwischen Regierungen gehabt, sondern wir haben erstmals einen Prozess gehabt, wo die Mehrheit in einem Gremium durch Parlamentarierinnen und Parlamentarier gestellt wurde. Und wo erstmals alle in Frage kommenden Staaten miteinander und Parlamente miteinander verhandelt haben. Es war also nicht ein Projekt der EU, der 15 Mitgliedsstaaten, sondern sämtlicher Staaten Mittelosteuropas. Malta und Zypern waren mit beteiligt durch Regierungsvertreter und Parlamentsvertreter in diesen ganzen Diskussionen, einschließlich der Türkei, einem Land, wo natürlich offen ist, ob und wann die Türkei zur Europäischen Union gehören wird, aber auch die türkische Regierung, auch das türkische Parlament war an diesen Diskussionen des Konvents beteiligt.

Was außerdem aus meiner Sicht sehr wichtig ist, öffentliche Tagungen in Brüssel sind ja ganz Klasse, aber Brüssel ist weit weg. Deshalb war es auch sehr wichtig, dass verschiedene Nichtregierungsorganisationen tatsächlich hier die Möglichkeit hatten, sich hier intensiv in die Diskussion einzubringen. Wir haben als Konvent auch Anhörungen mit Nichtregierungsorganisationen in Brüssel selbst gemacht. In allen Mitgliedsstaaten hat es Anhörungen mit Nichtregierungsorganisationen unterschiedlichster Couleur auf nationaler Ebene gegeben, also auch in der Bundesrepublik, zum Teil auch in einzelnen Bundesländern. Es gab Jugendforen, wo über die europäische Zukunft diskutiert wurde mit jungen Leuten, mit Jugendorganisationen, mit Schulklassen und so weiter. Und es gab auch ein organisiertes Internetforum, sozusagen parallel zum Konvent ein Dialogforum der Zivilgesellschaft mit dem Konvent, wo also auch aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft Vorschläge zum Konvent eingereicht werden konnten. Das hört sich jetzt natürlich alles so einfach an, es ist natürlich ausgesprochen schwierig, denn wir reden ja über einen Raum von 28 Staaten, wenn ich mal die Türkei im Moment weglasse und nur die erweiterte Europäische Union nehme ab 1. Mai diesen Jahres [2004], dann betrifft das einen Raum von 450 Millionen Menschen mit mindestens 20 offiziellen Amtssprachen. Und so eine Diskussion zu organisieren, das gleichzeitig noch zu übersetzen und so weiter, das ist natürlich ausgesprochen schwierig. Aber das war ein riesiger Fortschritt verglichen mit 50 Jahren europäischer Integrationsgeschichte, dass der Konvent existiert hat, wie er zusammengesetzt war, dass er öffentlich getagt hat und wie gesagt auch zumindest die Möglichkeit bestand für die Bevölkerung der verschiedenen Länder hier mitzudiskutieren. Und viele Nichtregierungsorganisationen haben das sehr aktiv wahrgenommen und das war für mich während der Arbeit in diesem Konvent auch eine große Hilfe, dass viele sehr engagiert vor Ort in Brüssel über Pressuregroups(1) im positiven Sinne durch Lobbyarbeit sich in die Diskussion hier mit eingemischt haben und das eben nicht auf der Parlamentarischen oder Regierungsebene gelassen haben.

(1) Eine Pressuregroup ist ein Interessenverband, der oft mit Druckmitteln auf Parteien, Parlament, Regierung, Verwaltung u. a. Einfluss zu gewinnen sucht.

Behebung von Demokratiedefiziten?

Insofern muss man eindeutig sagen, der Konvent ist ein Schritt in Richtung mehr Demokratie gewesen in Europa. Es gibt im Gesamtwerk jetzt bspw. auch Artikel, wie künftig europäische Verträge verändert werden sollen und auch diese sollen wieder über einen Konvent entstehen. Das heißt, hier ist ein Bruch mit dieser so genannten Methode der Regierungsverhandlung, der alleinigen Regierungsverhandlung fixiert worden. Es ist klar, sollte dieser Text in Kraft treten und z. B. in zwanzig Jahren geändert werden, wird es definitiv wieder einen Konvent geben. Das ist in dem Text verankert worden und stellt, wenn man den Gesamtprozess sieht, eine wichtige Veränderung dar.

Jetzt zum Bereich Demokratie: Es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie Europa ausgerichtet werden kann und soll. Auch in der europäischen Linksfraktion im Europäischen Parlament ist es nicht möglich, innerhalb von drei, vier Wochen ein Konzept über das Aussehen der Europäischen Union mit 28 oder vielleicht mehr Staaten aufzubauen. Es scheitert schon daran, welche Grundvorstellung man von der Europäischen Union hat. Die PDS bezieht sich positiv auf den Integrationsprozess, die die Weiterentwicklung der Europäischen Union will, ganz allgemein. Meine schwedischen Kollegen in der Fraktion wollen die Europäische Union nicht. Sie wollen, dass Schweden aus der Europäischen Union austritt. Wenn man aus der Europäischen Union austreten will als Grundausgangspunkt der Überlegungen für Europa, dann macht man sich natürlich darüber keine Gedanken mehr, wie denn diese Europäische Union aussehen soll. Man will eben austreten. Das ist ein völlig anderer Ansatzpunkt des Agierens. Und das ist nicht nur in der Linken so. Wenn man sich zum Beispiel die konservativen Parteien anschaut, dann ist das ähnlich. Also das Europakonzept der CDU in Deutschland und das Europakonzept der Tories(2) in Großbritannien ist nicht kompatibel. Und das sind nur zwei Beispiele. Wir reden, wenn wir über Verfassung reden, aber über ein Europa von 450 Millionen Personen und über ein Europa von mindestens 28 Staaten. Und sie müssen alle gemeinsam der Meinung sein, ja das ist für mich aus diesen oder jenen Gründen akzeptabel, so kann ich mit vorstellen, dass Europa aufgebaut wird. Das muss irgendwie alles unter einen Hut gebracht werden.

(2) Vertreter der konservativen Politik in Großbritannien

[…]

Eine andere Forderung ist die nach gestärkten Rechten des Parlaments. Aber wo, in welchem Bereich? Wollen wir denn überhaupt, dass die Europäische Union dafür zuständig ist? Soll das weg vom Nationalstaat oder nicht? Oder ist es vielleicht am allerbesten, wenn sich nicht mal die staatliche Ebene da einmischt, sondern die Kommune das macht? Also gestärkte Rechte des Europäischen Parlaments ist zwar richtig, eine wichtige Losung, aber man muss das natürlich konkret durchdeklinieren. Das hängt mit der Frage der Kompetenzen, die Europa haben soll, zusammen. Zum Beispiel wie kommen überhaupt Entscheidungen zustande, wie soll das Wechselspiel zwischen Europäischem Parlament auf der einen Seite und den Regierungen im Ministerrat auf der anderen Seite ausgestaltet werden. Meine persönliche Option ist nicht, das will ich auch sehr deutlich sagen, dass aus der Europäischen Union ein Staat wird. Wenn man nicht will, dass aus der Europäischen Union ein Staat wird, dann kann man auch nicht staatliche Strukturen, wie man sie zum Beispiel aus der Bundesrepublik kennt, einfach auf die Europäische Union per Modell übertragen. Das ist sozusagen was anderes.

Das Ergebnis vom Konvent bezogen auf die Rechte des Europäischen Parlaments ist eine deutliche Verbesserung, verglichen mit dem, was wir jetzt in Europa haben. Die Rechte des Europäischen Parlaments werden umfassend erweitert. Es ist kein Vergleich zu dem Zustand, den wir jetzt haben oder den Möglichkeiten, die ich jetzt habe im Europäischen Parlament als Abgeordnete.

Es ist mit dem Vertrag neu definiert worden, wie die nationalen Parlamente in die Entscheidungsprozesse in Europa eingreifen können. Die Vertreter sämtlicher nationaler Parlamente sind mit dem Ergebnis ausgesprochen zufrieden gewesen. Und ich glaube auch, dass ein Mechanismus gefunden wurde, wie man dieses komplizierte Geflecht zwischen Region, Land, Mitgliedsstaat, Europäischer Union, wie man sozusagen das Wechselverhältnis hier hinkriegen kann. Es ist so was ähnliches wie ein Gelbes-Karten-System eingeführt worden, wie man es aus dem Fußball kennt. Also in dem Moment, wo nationale Parlamente der Meinung sind, dass die Europäische Kommission sich irgendwas anmaßt, wofür sie nicht zuständig wäre, also die Rechte der Staaten oder der nationalen Parlamente in unangemessener Weise sozusagen übergangen werden, durch Vorschläge der EU-Kommission, dann können die nationalen Parlamente eine gelbe Karte ziehen und sagen »Achtung«, das so genannte Subsidiaritätsprinzip(3) wird verletzt. Dann muss die Kommission ihre Handlungen und Vorschläge überdenken.

(3) Ist der Grundsatz, dass eine gesellschaftliche oder staatliche Aufgabe soweit möglich von der jeweils unteren (kleineren) Einheit wahrgenommen wird, z.B. im Verhältnis von Staat und Gemeinde. Im europäischen Gemeinschaftsrecht soll das Subsidiaritätsprinzip die Verteilung der Regelungszuständigkeit zwischen der EU auf der einen und den Mitgliedsstaaten auf der anderen Seite bestimmen und dabei einen übertriebenen europäischen Zentralismus sowie eine unnötige Regelungsdichte verhindern.

Völlig neu ist auch, die Charta der Grundrechte in die Verfassung aufzunehmen. Die Charta der Grundrechte, mit der erstmalig gesichert wird, dass die individuellen Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht nur konkret aufgeschrieben in dem EU-Vertrag drinstehen, sondern dass sie auch einklagbar sind vor dem Europäischen Gerichtshof. […]

Sozialer Dialog und europäische Öffentlichkeit

Ein anderes Ergebnis ist, dass der soziale Dialog institutionell verankert worden ist. D.h., dass die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften auf europäischer Ebene sozusagen als Akteure erstens anerkannt sind, zweitens dass sie Vereinbarungen für Europa miteinander treffen können und drittens dass das Parlament und der Ministerrat das, was die Tarifparteien auf europäischer Ebene vereinbaren, sozusagen dann per Beschluss akzeptieren müssen. Wenn wir darüber nachdenken, dass wir über einen gemeinsamen Markt mit einer gemeinsamen Wirtschaft mit einer gemeinsamen Währung und so weiter reden, ist das eine wichtige Vereinbarung.
Was man auch nicht unterschätzen sollte, ist zum Beispiel die Frage Bürgerbegehren. Wir haben erstmalig mit dem Vorschlag des Konvents Elemente direkter Demokratie für die europäische Politik verankert. Bürgerbegehren laut Konventsvorschlag bedeutet, dass man 1 Million Unterschriften braucht, um ein europäisches Bürgerbegehren zu initiieren. Wenn man diese 1 Million Unterschriften hat, dann muss die Europäische Kommission einen Vorschlag für ein europäisches Gesetz machen. Wenn wir jetzt also zusammen darüber nachdenken: 450 Million Menschen, davon 1 Million Unterschriften, das Forum ist also nicht sehr groß. Aber es muss ein länderübergreifendes europäisches Bürgerbegehren sein, es ist nämlich ein europäisches. Das heißt, da müssen verschiedene Länder beteiligt sein. Wenn zum Beispiel Attac in Europa ein Bürgerbegehren initiieren will, dann müssen sie grenzüberschreitend mit Polen, mit Franzosen, mit Griechen etc. einen Punkt finden, um hier eine Kampagne zu machen und grenzüberschreitend in den entsprechenden Sprachen diese Kampagne zu führen und diese 1 Million Unterschriften zu bekommen. Das ist auch nicht so einfach, weil die Interessen der Leute zum Teil sehr, sehr unterschiedlich sind. Zum Abtreibungsrecht würden wir in Polen wahrscheinlich nicht die Menge Unterschriften bekommen, die wir haben wollen.

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Aber genau diese Möglichkeit würde erstmalig in der europäischen Politik dazu führen, dass man tatsächlich so etwas schafft wie eine europäische Öffentlichkeit. Denn eine europäische Öffentlichkeit in der Europäischen Union haben wir nicht: wir haben eine deutsche Öffentlichkeit in der Bundesrepublik, wir haben eine polnische Öffentlichkeit in Polen, wir haben eine britische Öffentlichkeit in Großbritannien. Wir haben keine europäische Öffentlichkeit. Und wenn man Europa aufbauen will, dann muss man natürlich Mittel und Wege dafür haben, dass dieses Europa tatsächlich auch gemeinsam durch die Bürgerinnen und Bürger aufgebaut werden kann. Dass es eben kein Regierungsprojekt bleibt, dass es kein Wirtschaftsprojekt bleibt, sondern es muss ein Projekt der Bürgerinnen und Bürger werden und wir brauchen eine europäische Öffentlichkeit. Und dieses Bürgerbegehren kann ein wichtiges Instrument dafür sein, eine solche europäische Öffentlichkeit zu schaffen, Menschen an einem konkreten Projekt zusammenzubringen, zu interessieren, als gemeinsame Pressuregroup sozusagen den Institutionen, dem Europäischen Parlament oder der Kommission sozusagen Dampf unter dem Hintern zu machen, damit sie dieses oder jenes Problem in Europa endlich angehen und deshalb denke ich, unterm Strich, dass man sehr viel tatsächlich weiterdiskutieren und kritisieren kann, was den Demokratiebereich angeht, aber verglichen mit der jetzigen Verfassung, nämlich dem Vertrag von Nizza, ist im Demokratiebereich mit diesem Verfassungsentwurf ein deutlicher Fortschritt zu verzeichnen. Ein Fortschritt, der nicht einfach leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden sollte.

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