Gegen diesen EU-Verfassungsentwurf: Aus friedenspolitischen, globalisierungskritischen und sozialen Gründen

von der Redaktion Informationen zur Deutschen Außenpolitik

Eine Weltmacht, meint Werner Weidenfeld, das muss Europa unbedingt werden. Eine Weltmacht, wie sie die USA heutzutage sind. Werner Weidenfeld ist Politikberater, einer der einflussreichsten in Deutschland. Er leitet das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) in München, einen think tank(1), der Strategien entwirft, wie die EU zu ihrer Weltmachtgeltung gelangen soll.(2) Eine Weltmacht aber, das weiß man beim CAP, braucht vor allem eins: Militärische Macht.

Zurzeit ist militärische Macht in der EU zwar vorhanden, aber auf die einzelnen Nationalstaaten verteilt. Wirklich kriegsfähig zusammengeschlossen sind die europäischen Militärkräfte nur in der NATO, aber da haben die USA gewaltigen Einfluss. Um eine eigenständige Weltmacht werden zu können, planen europäische Militärs schon lange eine EU-Armee. Sie soll die europäische Militärmacht bündeln und neue Kriege unabhängig von den Vereinigten Staaten ermöglichen.

Das Dossier # 12 befasst sich mit dem Zustandekommen der EU Verfassung und den Diskussionen, die sie ausgelöst hat sowie mit den Vorstellungen von einer europäischen Identität und was diese bestimmen könnte.

  1. EU-Verfassung und europäische Identität
  2. Von der Wirtschaftsgemeinschaft zum Nationalstaat?
    (Katharina Hamann)
  3. »Besser die als keine«
    (Sylvia-Yvonne Kaufmann)
  4. Demokratisierung der EU?
    (Norman Paech)
  5. Wofür dient eine europäische Identität?
    (Dr. Jochen Roose)
  6. Europas Suche nach einer kollektiven Identität
    (Anna Pollmann)
  7. Gleichstellung der Frauen im Verfassungsentwurf
    (Mercedes Mateo Diaz, Susan Millns)
  8. Gegen diesen EU-Verfassungsentwurf
    (Tobias Pflüger, MdEP)
  9. Die Militarisierung Europas
    (Redaktion Informationen zur Deutschen Außenpolitik)
  10. Flüchtlingsabwehr und Lagerpläne
    (Cornelia Gunßer, Flüchtlingsrat Hamburg)
  11. Fortress Eastern Europe
    (Laure Akai, Bez Granic (polnische Organisation »Ohne Grenzen«))
  12. Einmal Novi Sad und zurück
    (Suse Lang, D-A-S-H europe)
  13. Weiterführende Materialien

Ein Baustein ist die EU-Verfassung. Sollte sie in Kraft treten, dann wären die EU-Armee-Planer einen dramatischen Schritt weiter. Denn im Verfassungsentwurf sind zahlreiche militärpolitische Bestimmungen enthalten. Aufrüstung erhält Verfassungsrang, sie soll europaweit koordiniert werden. Das ist einmalig in der Welt. Die vorgesehenen »Operationen« reichen von so genannter Militärhilfe über das Eingreifen in Bürgerkriege und Besatzungsaufgaben bis hin zu uneingeschränkten Kriegseinsätzen.(3)

(1) auch: Denkfabrik

Wie die zukünftigen EU-Kriege praktisch geführt werden sollen, darüber macht man sich beim CAP Gedanken. Kriegsvorbereitungen und Kriegführung, so fordert es das CAP in einer neuen Studie, sollen von den drei größten EU-Staaten geleitet werden (Deutschland, Frankreich, Großbritannien), die kleineren Staaten haben sich unterzuordnen. Für Militärtransporte sollen das Hochgeschwindigkeitsnetz der europäischen Bahnen und zivile Schiffe herangezogen werden können, das CAP verlangt von der EU mehr Soldaten und höhere Rüstungsausgaben.(4)

(4) siehe Kriminell

Entscheidend ist dabei: Auch Angriffskriege (»Präventivkriege«) sollen weltweit erlaubt sein. Das fordert das CAP, das haben auch schon andere deutsche think tanks verlangt. Sollte sich diese Anmaßung durchsetzen, dann wäre das Internationale Staatenrecht endgültig außer Kraft gesetzt: Mächtige Staaten könnten mit brutaler Gewalt beliebig gegen schwächere Staaten vorgehen. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert auf ihrer Website sogar, ob Kriege nicht unter bestimmten Umständen sogar als »gerecht« bezeichnet werden dürften.(5)

Sicher ist jedenfalls: Eine »Weltmacht Europa« wird mit Kriegen die Unterordnung gegnerischer Staaten durchsetzen. Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Kolbow erklärte kürzlich: »Die Idee, Europa als reine Zivilmacht anzusehen, liegt hinter uns, die europäischen Interessen lassen dieses Selbstverständnis nicht mehr zu.«(6)

Strategisch wichtige Gebiete kontrollieren, konkurrierende Mächte einkreisen und schwächen, Rohstoffe sichern, Billiglohngebiete anbinden: Ohne kriegerische Gewalt lassen sich Weltherrschaftspläne nicht umsetzen.

Weltweite Kriegspolitik hat freilich Folgen: Massenflucht aus angegriffenen Staaten, Massenflucht vor unerträglicher Armut in den ausgebeuteten Ländern. Dass die Menschen aus den Hunger- und Kriegsregionen in die Wohlstandszentren fliehen, ist nur allzu verständlich. Die EU reagiert mit kalter Abwehr darauf, und wie so oft ist auch hier Deutschland die treibende Kraft.
Grenzen würden in der EU durchlässig, verlören ihre Bedeutung: Das ist eines der zynischsten europäischen Propagandastereotypen. Während die Grenzkontrollen innerhalb des Wohlstandszentrums abgebaut werden, entstehen undurchlässige Grenzbefestigungen an den EU-Außengrenzen. »Neue Berliner Mauer« nennt man dort das neue Grenzregime, und der Hinweis auf Berlin ist kein Zufall. Denn die deutsche Regierung macht massiv Druck, damit die EU-Außengrenzen niemand unbemerkt überschreitet. Nicht selten dient dabei deutsche Technologie der Abwehr von Flüchtlingen.(7)

Im vergangenen Sommer hat sich die Bundesregierung die EU-Südgrenzen vorgenommen. Um Flüchtlinge an der Einreise über das Mittelmeer zu hindern, sollen nun die Küsten Nordafrikas stärker kontrolliert werden. Für die dort abgefangenen Menschen sollen, das hat der deutsche Innenminister kürzlich gefordert, in Nordafrika Auffanglager eingerichtet werden, wie es sie etwa in der Ukraine schon längst gibt. Endstation Lager: Das ist die Perspektive für Menschen, die man in der EU nicht haben will.(8)

(8) siehe Festung

Ergänzt wird der Aufbau der »Festung Europa« durch eine rigide Abschiebepraxis. Auch hier ist Deutschland treibende Kraft: Wer in Europa nicht erwünscht ist, wird »zurückgeführt«. Ausnahmen sind natürlich Billigarbeiter aus außereuropäischen Staaten, eine bestimmte Anzahl von ihnen ist durchaus willkommen.(9) Denn sie arbeiten für billigen Luxus im europäischen Wohlstandszentrum, moderne Sklaven des reichen Europa.

(9) siehe Import-Export

Europa kann durchaus eine Weltmacht werden, meint Werner Weidenfeld. Deutschland allein hingegen, das hat sich in den vergangenen zwei Weltkriegen gezeigt, wäre zu schwach dazu. Deshalb muss Deutschland, wenn es richtig mächtig werden will, als treibende Kraft bei der Einigung Europas auftreten, als treibende Kraft auch bei der Militarisierung und bei der Flüchtlingsabwehr.

Redaktion Informationen zur Deutschen Außenpolitik
Fax: 01212-5-257-08-537
eMail: german-foreign-policy@web.de
http://www.german-foreign-policy.com

Die »Informationen zur Deutschen Außenpolitik« werden von einer Gruppe unabhängiger Publizisten, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zusammengestellt, die das Wiedererstarken deutscher Großmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, militärischem und politischem Gebiet kontinuierlich beobachten. Die im Internet zur Verfügung gestellten Informationen sind insbesondere für Interessentinnen und Interessenten im Ausland bestimmt und sollen eine Einschätzung der deutschen Hegemonialstrategie ermöglichen. Das Angebot ist daher auch auf englisch, französisch und polnisch verfügbar. Auf der Homepage kann ein Newsletter abonniert werden, der täglich über Entwicklungen zum Thema »Deutsche Neuordnung Europas«, »Deutsche Großraumwirtschaft«, »Deutsche Volkstumspolitik«, »Deutsche Militärpolitik« und »Deutsche Außenpolitik allgemein« informiert.

Zudem werden von der Redaktion Empfehlungen für Referenten und Referentinnen für wissenschaftliche Tagungen, Konferenzen oder für individuelle Politikberatung gegeben.

Zur Unterstützung der Arbeit kann ein Förder-Abonnement gezeichnet werden.

Materialien

Nächster Artikel: Flüchtlingsabwehr und Lagerpläne