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Die Europäische Verfassung – ein Schritt zur Demokratisierung der EU?
von Norman Paech
Verfassungsfragen sind Machtfragen: der demographische FaktorWorum geht es? Seit Mitte der neunziger Jahre steht die Reform der institutionellen Architektur auf der Agenda der EU. Vor allem die Größe der Europäischen Kommission, die Gewichtung der Stimmen im Europäischen Rat und die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen bedurften einer Neuregelung. Hinzu kam mit der Erweiterung die Neuverteilung der Sitze im größer werdenden Europäischen Parlament. Während 1997 in Amsterdam noch keine Übereinkunft erzielt werden konnte, brachte der Gipfel von Nizza im Dezember 2000 eine Einigung über die Neuverteilung der Sitze im Parlament. Danach verringert sich die Abgeordnetenzahl aller Mitgliedstaaten der alten Union. Ausgenommen ist Deutschland, welches seine 99 Sitze behält. Damit wurde zum ersten Mal der demographische Faktor berücksichtigt, der auch eine Änderung der Abstimmungen im Rat zur Folge hat. Ein Ratsbeschluss kann nunmehr angefochten werden, wenn er nicht mindestens 62 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert. Allerdings musste sich Deutschland bei der Gewichtung der Stimmen im Rat mit den gleichen 29 Stimmen zufrieden geben wie Frankreich, Großbritannien und Italien. Spanien und Polen, obwohl nicht einmal gemeinsam so viele Einwohner aufweisend wie Deutschland, erhielten jeweils 27 Stimmen. |
Das Dossier # 12 befasst sich mit dem Zustandekommen der EU Verfassung und den Diskussionen, die sie ausgelöst hat sowie mit den Vorstellungen von einer europäischen Identität und was diese bestimmen könnte. » Gesamtes Dossier als PDF-Datei
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Der Konventsentwurf wollte diese Gewichtung nun ebenfalls an der Bevölkerungszahl ausrichten. Das hätte eine erhebliche Einflussverlagerung zugunsten der vier bevölkerungsstärksten Länder zur Folge. Deutschlands prozentualer Anteil an den 345 Gesamtstimmen stiege von 8,4% auf 17%, der Anteil Frankreichs, Großbritanniens und Italiens auf jeweils 12%. Mit insgesamt 53% hätten die vier Länder fast schon die im Verfassungsentwurf vorgesehenen 60% der Gesamtbevölkerungszahl für eine qualitative Mehrheit erreicht. Da sie zusätzlich die Mehrheit von 13 Mitgliedsstaaten mit nur je einer Stimme benötigen, könnten sie den kleinen Staaten Bündnisse anbieten. Die mittelgroßen Staaten wie Polen und Spanien, deren gewichteter Anteil sich kaum erhöhen würde, verlören deutlich an Einfluss, wie übrigens auch Griechenland, Belgien, Portugal und die Tschechische Republik. Diese Länder besitzen jetzt noch eine Sperrminorität, würden sie aber mit der Verfassung verlieren. Vor diesem Hintergrund ist auch ihr Widerstand gegen die Einführung qualifizierter Mehrheiten bei Entscheidungen in der Außen- oder Rechtspolitik zu verstehen. Wie unsicher allerdings das Bündnis der kleinen und mittelgroßen Staaten ist, zeigt, dass gerade die beiden Koalitionäre gegen die neue Stimmengewichtung Spanien und Polen, scharfe Konkurrenten um die Transferleistungen sein werden. Der Integrationsprozess, der durch die Verfassung neue Dynamik erhalten soll, entpuppt sich somit als ein Machtkampf über die zukünftige Führung in der EU, der vor allem über die derzeit eher wachsenden ökonomischen und sozialen Gegensätze in der Union entscheiden wird. Der Widerstand geht von den ärmeren Staaten aus, die eine starke nationale Position, d. h. ihre Souveränität in die Waagschale der künftigen Verteilungskämpfe werfen, um nicht von dem »alten Europa« dominiert zu werden. Die engere Koordinierung der Eurozone wie auch die »strukturierte Zusammenarbeit« einiger Staaten auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik, die der Verfassungsentwurf ermöglichen will, verweisen zudem auf manifeste hegemoniale Tendenzen auch innerhalb Europas. Schon vor dem Zusammentritt des Konvents wurden derartige Absichten hinter den Formeln vom »Europa der konzentrischen Kreise« oder »Europa der variablen Geometrie« bzw. »Kerneuropa« und »Europa der zwei Geschwindigkeiten« verborgen. Nach dem Scheitern treten sie nun wieder verstärkt in den Vordergrund und werden von den kleinen Staaten vehement abgelehnt, da sie zu einer voraussehbaren Spaltung in Zentrum und Peripherie führen werden. Gegen ein zentralistisch-exekutivisches VerfassungsverständnisDer Europäische Konvent ist eine »Kopfgeburt von europäischen Regierungschefs und ministerialen Stäben«.(1) Nüchtern und institutionell-formal lauten die Aufgaben, die der Europäische Rat im Dezember 2001 dem Konvent »zur Zukunft der EU« gestellt hatte: Eine bessere Verteilung und Abgrenzung der Kompetenzen in der EU sowie die Vereinfachung ihrer Instrumente. Sodann die Steigerung der demokratischen Legitimierung und Transparenz sowie der Effizienz der EU-Organe. Und schließlich die Vereinfachung und Neuordnung der bestehenden EU-Verträge in einem Verfassungstext.(2) Allen Beteiligten war dabei klar, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) ebenso wie das Bundesverfassungsgericht bereits seit etlichen Jahren die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften als eine Verfassungsurkunde betrachtet und insbesondere der EuGH keinen Mangel verfassungsrechtlicher Vorgaben für seine Rechtsprechung beklagt hat.(3) Insofern ist es nicht überraschend, dass gewichtige Stimmen die Ansicht vertreten, dass Europa im Grunde gar keine Verfassung brauche.(4) |
(1) Richter, Emanuel (2002): Altväterliches Gremium mit Hang zum Autoritativen. Der »Europäische Konvent« und die Demokratie. In: Frankfurter Rundschau v. 18. November, S. 11.
(2) Vgl. Erklärung »Zur Zukunft der EU«, Europäischer Rat (Laeken) v. 14., 15. Dezember 2001. Abgedruckt in: Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hg.), Der Weg zum Verfassungskonvent. Berichte und Dokumentationen, Berlin 2002, S. 442 ff.
(3) Vgl. BVerfGE 22,293, 296, ferner EuGH, Slg. 1991, 6079, 6102, Rn. 21: »…der EWG-Vertrag stellt … die grundlegende Verfassungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft dar«.
(4) vgl. Grimm, Dieter (2003): Die größte Erfindung unserer Zeit – Als weltweit anerkanntes Vorbild braucht Europa keine Verfassung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16. Juni. Und Scharpf, Fritz W. (2003): Was man von einer europäischen Verfassung erwarten und nicht erwarten sollte. In: Blätter für deutsche und internationale Politik Heft 1, S.49 ff.
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Die Diskussion um die »Finalität«, das »Staatsziel«, des Verfassungsprozesses wurde bereits frühzeitig durch die Alternative zwischen einer am Modell Deutschland orientierten bundesstaatlichen Föderation und einer auf der nationalen Souveränität der Mitgliedsstaaten aufbauenden Variante eines Staatenbundes geprägt. Sie begann offiziell mit Außenminister Fischers Rede in der Humboldt-Universität am 12. Mai 2000, in der er angesichts der kommenden Herausforderungen an die EU eine »Europäische Föderation« mit einer Souveränitätsabgrenzung zwischen der Union und den Nationalstaaten propagierte.(5) Bereits damals erhöhte er den Druck auf die Länder, die diesem Modell nicht folgen wollten, durch die Ankündigung einer »Avantgarde« einiger Staaten, die als »Gravitationszentrum« die Integration vorantreiben würden.(6) Der Widerstand vor allem der kleinen und sozial wie ökonomisch schwächeren Länder richtet sich gegen ein Verständnis des Integrationsprozesses, welches vorwiegend auf institutionelle Effektivität, Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit ausgerichtet ist. Ihre Befürchtungen gehen dahin, dass damit die nationalen Möglichkeiten der sozialen, kulturellen und ökonomische Selbstbestimmung ebenso wie die demokratische Gleichberechtigung großer wie kleiner, starker wie schwacher Staaten in der Regierungsmaschine der Brüsseler Bürokratie zusehends untergehen. So sehr diese Staaten von der Notwendigkeit ihrer Mitgliedschaft überzeugt sind und in die EU drängen, ihre Skepsis und Kritik richtet sich gegen die exekutivische und bürokratische Bestimmung der Integration. |
(5) vgl. Fischer, Joschka (2000): Vom Staatenbund zur Föderation – Gedanken über die Finalität der europäischen Integration. Rede am 12. Mai 2000 in der Humboldt-Universität Berlin. In: Blätter für deutsche und internationale Politik Heft 6, S. 752 ff. Die Idee vom Kerneuropa ist älter und stammt bereits aus den achtziger Jahren und ist auch strategischer Teil des Papiers von Schäuble und Lamers von 1994.
(6) Ruge, Undine (2003): Europas variable Geometrie. Die erweiterte Union braucht eine Avantgarde. In: Blätter für deutsche und internationale Politik Heft 3, S. 314 ff.
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Ausweitung der EU-KompetenzenWeite Politikbereiche sind bereits den nationalen Institutionen entzogen und stehen in vorwiegend europäischer Verantwortung. So die Währungspolitik (ausschließliche Aufgabe der Europäischen Zentralbank – EZB), die Wettbewerbspolitik und die europäische Agrarpolitik, die Höhe und Art der Subventionen festlegt, die an die Bauern gezahlt werden dürfen. Andere Bereiche sind nach wie vor in einzelstaatlicher Verantwortung wie die Steuer- und Arbeitsmarktpolitik, während die Haushalts- und Wirtschaftspolitik einem komplizierten Abstimmungsmodus zwischen europäischer und nationaler Ebene unterliegt. Die sich daraus ergebenden Widersprüche sind an dem Streit um die 3%-Grenze für die Neuverschuldung nationaler Haushalte zwischen der Kommission und Deutschland und Frankreich deutlich geworden. Die berechtigten Zweifel daran, ob eine rigide Stabilitätspolitik den sozialen Problemen aller Mitgliedstaaten gerecht wird, einmal beiseite gelassen: nur mächtige Staaten können die gemeinsamen Vertragsabreden durchbrechen, ohne die eigentlich fälligen Strafgelder in Milliardenhöhe zu zahlen. Schwächere Staaten haben nicht die Option des ungestraften Vertragsbruches, sie stehen unter dem doppelten Diktat der Union und ihrer mächtigsten Vertreter – eine Situation, die sich im Europa der zwei Geschwindigkeiten noch verschärfen wird. Vertragstreue ist auch durch eine Verfassung nicht zu erzwingen, selbst wenn sie durch weitere Konstitutionalisierung, Straffung und Effektivierung sowie Stärkung der europäischen Exekutive und Legislative die staatsrechtliche Qualität der EU vorantreibt. Entscheidungen, die nicht nur eine Zentralisierung sondern auch eine schärfere Hierarchisierung der EU-Exekutive bewirken – aber Vertragstreue nicht unbedingt fördern, sind beispielsweise:
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(7) Bei den wichtigeren politischen Entscheidungen muss immer noch einstimmig entschieden werden, wie in der Außen- und Sicherheitspolitik, im Steuerbereich und Strafrecht. Dort hat man so genannte Passerellen (Passerelle ist ein schweizerischer Ausdruck für Fußweg
(8) Dazu in: Oppermann, Thomas (2003): Eine Verfassung für die Europäische Union. Der Entwurf des Europäischen Konvents. 1. Teil Deutsches Verwaltungsblatt, S. 1238; Anm. 80 bemerkt zu Recht, dass eine vollständige Auflösung des 2. und 3. Pfeilers der Maastricht-EU und Integration in das allgemeine System der Verfassung »die EU dem Europäischen Bundesstaat ziemlich nahe gebracht« hätte. Weiteres zu den Problemen der Mehrheitsentscheidungen in der EU: Vobruba, Georg (2003): Alle Macht der Mehrheit? Politische Willensbildung in der europäischen Verfassungsdebatte. In: Blätter für deutsche und internationale Politik Heft 11, S. 1371 ff.
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Keine Abhilfe beim DemokratiedefizitDie schwache Rechtsstellung und mangelnden Gesetzgebungsbefugnisse des Europäischen Parlaments gegenüber der umfassenden Entscheidungskompetenz der Exekutivorgane (Kommission, Ministerrat, Rat der Regierungs- und Staatschefs) war in den vergangenen Jahren einer der hauptsächlichen Kritikpunkte. Immer wieder hat man diese Umkehrung des klassischen Gewaltenteilungsschemas als Demokratiedefizit der EU beklagt. Die vorgesehene Erweiterung der Rechte des Parlaments ist deshalb zwar erfreulich aber doch nicht so spektakulär wie mitunter gerühmt. Das Mitentscheidungsverfahren mit weitgehender Gleichberechtigung zwischen Parlament und Ministerrat wird zum Regelverfahren erklärt (Art. I-19, 33 (1)), in bestimmten Fällen erhält das Parlament sogar ein Initiativrecht (Art. I-33 (2)). Außerdem soll es den Kommissionspräsidenten aufgrund eines Vorschlags des Europäischen Rats mit einfacher Mehrheit wählen (Art. I-26 (1)). In den so wichtigen Bereichen der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird das Parlament aber nur gehört und »auf dem laufenden gehalten« (Art. III-162), Gesetzgebungs- und Kontrollmöglichkeiten hat es nicht (Art. I- 39 (6), I-40 (8)). Selbst der Gerichtshof kann nicht zur Kontrolle angerufen werden. Hier hat man nicht einmal die einfachsten Selbstverständlichkeiten parlamentarischer Demokratien berücksichtigt. Die Grundrechtecharta in der VerfassungDie Aufgabe des Konvents, die demokratische Legitimation der EU zu erhöhen, wird nicht nur an der Beteiligung des Parlaments an der Gesetzgebung und Kontrolle der Exekutive gemessen, sondern auch mit dem Stellenwert verbunden, den die Verfassung den Grund- und Menschenrechten einräumt. Es geht darum, die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Institutionen für Demokratie, die in den einzelnen Staaten mehr oder weniger vorhanden sind, auf die europäische Ebene zu übertragen. Ob es um europaweite Parteienverbindungen oder –neugründungen, den Zusammenschluss der Gewerkschaftsbewegung oder die Europäisierung der Sicherheits- und Ausländerpolitik, respektive der Bürger- und Ausländerrechte geht, der Übergang von einer Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union hängt nicht nur von der Mehrung des Wohlstandes, dem Ausbau der staatlichen Strukturen und dem Schutz der Bürger gegenüber äußeren Gefahren, sondern vor allem von den Rechten, Freiheiten und sozialen Sicherungen ab, die sie in ganz Europa genießen. Der Entwurf des Konvents erwähnt alle Begriffe, die mit der modernen Gesellschaft assoziiert werden, als »Werte der Union« (Art. I-2): Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit oder Solidarität, Pluralismus, selbst Kulturstaatlichkeit: die ganze Fracht westlicher Zivilisation, die heute – notfalls mittels Krieg – Universalität beansprucht. Die Aufnahme der Grundrechtecharta in die Verfassung verändert den materiellen Umfang der Grundrechtsverpflichtung nicht, da in ihr nichts enthalten ist, was nicht auch in den anderen verbindlichen Konventionen und Deklarationen vorhanden ist. Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass für das Niveau des Grundrechtsschutzes nicht in erster Linie der geschriebene Katalog der Grundrechte, sondern ihre Entfaltung durch die Gerichte von Bedeutung ist. Zudem hat man den Vorschlag einer Europäischen Grundrechtsbeschwerde, die Einzelnen oder auch Organisationen ein direktes Beschwerderecht gegen Maßnahmen europäischer Organe wegen Verstoßes gegen die Grundrechte geben soll, nicht aufgegriffen. Diese Fragen mögen alle rechtstechnisch lösbar sein, als wirkliches politisches Manko bleibt jedoch, dass der Entwurf vor der Sozialcharta halt macht und sie nicht einmal dadurch würdigt, dass sie zur Schärfung und Konkretisierung der insgesamt sehr allgemein formulierten Sozialrechte in der Grundrechtecharta(9) heranzieht. |
(9) Meyer, Jürgen/Engels, Markus (2000): Aufnahme von sozialen Grundrechten in die Europäische Grundrechtecharta? In: Zeitschrift für Rechtspolitik Heft 9, S. 368 ff.
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Die Europäische Sozialcharta ist aktuell das weitestgehende Sozialrechts-Dokument in Europa, in dem die insgesamt 22 Vertragsstaaten erklären, dass sie gewillt seien, »mit allen zweckdienlichen Mitteln staatlicher und zwischenstaatlicher Art eine Politik zu verfolgen, die darauf abzielt, geeignete Voraussetzungen zu schaffen, damit die tatsächliche Ausübung« der Rechte und Grundsätze der Charta gewährleistet seien. 1996 wurde die Sozialcharta um weitere Rechte ergänzt: Schutz gegen Armut und sozialen Ausschluss, Recht auf Wohnung, Schutz bei Kündigungen, Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und andere Formen der Belästigung sowie weitere Verbesserungen der Stellung der Arbeitnehmer. Diese Charta ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten, die Bundesrepublik hat sie bisher noch nicht ratifiziert. Der Bundesrat hatte vorbeugend in seiner Entschließung vom 1. März 2000 gemahnt, nicht über die Grundrechtsgarantien der Europäischen Menschenrechtskonvention hinauszugehen, weil die Grundrechtskulturen der Mitgliedstaaten bereits differenziert und weitreichend genug seien. Die Position der anderen Staaten dürfte nicht weniger sozialrechtsskeptisch sein. Und so hat der Konvent in seinem Verfassungsentwurf ganz bewusst darauf verzichtet, den sozialen Rechten durch Übernahme aus der Sozialcharta eine stärkere Position und vergleichbare rechtliche Verbindlichkeit zu verschaffen wie den politischen und bürgerlichen Grundrechten. Das Verfassungsprojekt wird also, wenn es wieder aufgenommen wird, die Bürgerrechte kaum stärken und den Sozialrechten keine Unterstützung sein. Auch das europäische Demokratiedefizit wird es nicht beheben und dem Parlament seine normale Rolle im Gewaltenteilungskonzept verschaffen. Sein Ziel, dem lahmenden Integrationsprozess angesichts der schwierigen Osterweiterung eine neue Dynamik zu verschaffen, ist vorerst gescheitert. Ebenso wird es vorerst nicht zu einer verfassungsrechtlichen Festschreibung der neo-liberalen Marktwirtschaftsordnung und der Militarisierung der EU kommen. Doch wird dieser Fehlschlag diese Prozesse weder verzögern noch gar stoppen. Er bietet allerdings die Chance, die auf die Stimmenverhältnisse reduzierte Diskussion um die Themen zu erweitern, die die inhaltliche Ausrichtung der EU in Zukunft bestimmen werden, und für die notwendige Demokratisierung zu kämpfen. Norman Paech ist Professor für Öffentliches Recht an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Literatur
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