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Die jüdische Einwanderung nach Deutschland und ihre Neuregelung
Von Daniela Schmohl
Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks gab es aufgrund einer Regelung des Zentralen Runden Tisches vom Frühjahr 1990 in der DDR keine Beschränkung für die Zuwanderung von Juden und Jüdinnen aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik. Im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes wurde auch die Einwanderung im so genannten »jüdischen Kontingentverfahren« neu geregelt. Diese »Kontingentregelung« war durch die Innenministerkonferenz der BRD 1991 beschlossen worden. Damit wurde festgelegt, dass diejenigen, die jüdische Mütter (nach den jüdischen Glaubensregeln der Halacha) oder jüdische Väter (jüdische Herkunft) haben, zusammen mit ihren Verwandten ersten Grades (EhepartnerInnen und minderjährige Kinder) aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR in die Bundesrepublik einwandern können. Die jüdische Herkunft musste allerdings amtlich von Behörden (per Geburtsurkunde) bestätigt werden. Die Zahl der Einwanderer pendelte sich in den folgenden Jahren bei etwa 16.000 Menschen im Jahr ein – bisher etwa 180.000 insgesamt. |
Dossier #15: Eckpunkte der Diskussion um das neue Zuwanderungsgesetz für Deutschland, "offene Grenzen", die Visa-Affäre, Einreise und Einwanderung in Europa » Gesamtes Dossier als PDF-Datei
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Kamen auf diese Weise jüdische Emigranten uneingeschränkt nach Deutschland, sollte diese Möglichkeit mit der neuen gesetzlichen Regelung deutlich beschränkt werden. Laut der Fassung des Zuwanderungsgesetzes, die am 1. Januar 2005 in Kraft trat, sollte jüdischen Einwanderern die Einreise in die Bundesrepublik aber nur noch gestattet werden, wenn sie das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten und die Einladung einer jüdischen Gemeinde vorweisen konnten. Der Zentralrat der Juden in Deutschland machte daraufhin einen Vorschlag zur grundsätzlichen Neuregelung des »Kontingentverfahrens«. Dieser Vorschlag sah jedoch vor, dass Zuwanderungswillige aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nur dann einreisen dürften, wenn sie gemäß Religionsgesetz von einer jüdischen Frau geboren oder durch orthodoxe Rabbiner konvertiert worden sind. Dies stieß auf den vielfältigen Protest der progressiven Juden. Sie bemängelten, dass damit ein Religionsgesetz die staatliche Einwanderung in einem säkularen Staat bestimmen würde. Zudem war die Einwanderungsregelung Anfang der Neunziger Jahre als Reaktion auf den offen ausbrechenden Antisemitismus in Osteuropa so weit gefasst worden. Die religiösen Regeln des Judentums interessieren auch heutige Antisemiten nicht – Opfer antisemitischer Übergriffe konnte man wegen der in der Sowjetunion definierten »jüdischen Nationalität« ebenso werden wie aufgrund des väterlichen Namens. |
(1) Zuwanderungsgesetz: Kontingentregelung in Gefahr? von Dr. Irene Runge, 23.05.2005
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Im Rahmen der Innenministerkonferenz im Juni 2005 wurde nun ein Kompromiss zwischen den Positionen ausgehandelt und die Grundlage für die Neuregelung der jüdischen Zuwanderung aus Osteuropa beschlossen. Allerdings klärt diese Regelung nicht alle offenen Fragen. Die historische Verantwortung gegenüber den Opfern des nationalsozialistischen Terrors wurde anerkannt und man einigte sich auf die weiterhin unbeschränkte Einwanderung für NS-Verfolgte nach Deutschland. Unklar ist jedoch nach wie vor, ob Dokumente aus sowjetischer Zeit mit dem Vermerk der jüdischen Nationalität Gültigkeit haben. Damit bleibt weiter offen, ob Juden mit einem jüdischen Vater aber ohne jüdische Mutter unter die Einreiseregelung fallen oder nicht. Auch die Forderung nach einer religiösen Beteiligung der Zuwanderer spielt bei Antragstellung eine Rolle. Müssen die Einwanderer Mitglieder der örtlichen jüdischen Gemeinden werden, um in Deutschland bleiben zu dürfen? Gerade das würde ja wiederum jene mit »nur« einem jüdischen Vater ausschließen, da diese nicht ohne weiteres Gemeindemitglied werden dürfen. Neu ist, dass als Aufnahmevoraussetzung die »eigenständige Sicherung des Lebensunter-haltes« und »Grundkenntnisse in deutscher Sprache« nachgewiesen werden müssen. Die weiterhin geforderte »positive Integrationsprognose« für einwandernde Familien ist in ihrer Umsetzung und Bewertung vollkommen offen. Die Idee »Sprachkurse vor Ort« mit erleichtertem Zugang »für jüdische Zuwanderungs-willige« anzubieten, ist angesichts der Größe der ehemaligen Sowjetunion nicht realisierbar, zumal die Frage der Finanzierung solcher Kurse nicht geklärt wurde. Nach der Vereinbarung der Innenminister kann die Neuregelung am 1. Juni 2006 in Kraft treten. Dann müssen auch die Anträge, die nach dem 1. Juli 2001 gestellt wurden und die seit dem auf einen Bescheid warten, neu gestellt werden. Warum allerdings der ohnehin schwache Zuzug von etwa 16.000 Menschen im Jahr reduziert und derart verkompliziert werden muss, diese Frage steht unbeantwortet im Raum. Nächster Artikel: "Hier geblieben - Es gibt kein Weg zurück!" |
Letzte Änderung: 2005-12-05 21:19:55 | info@d-a-s-h.org Impressum |