MigrantInnen und Gewerkschaften – Partner in der Arbeitswelt

von Klemens Büsch

Seit Juli 2001 gibt es ein neues Betriebsverfassungsgesetz. Dieses Wort klingt nach Bürokratie, Papierkrieg und Verwaltungsapparat. Tatsächlich ist dieser Text aber für jede Betriebsrätin und jeden Betriebsrat Gold wert. Das neue Betriebsverfassungsgesetz enthält unter anderem auch einige Passagen, die dem Betriebsrat eine Grundlage geben, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Betrieb vorzugehen.

So legt das Gesetz fest, dass es zu den allgemeinen Aufgaben eines Betriebsrates gehört, »die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen«. Außerdem können – so das Gesetz – Maßnahmen zur Integration Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sein. Und schließlich muss der/die ArbeitgeberIn mindestens einmal in jedem Kalenderjahr in einer Betriebsversammlung über den Stand der Integration der im Betrieb beschäftigten ausländischen ArbeitnehmerInnen berichten.

Das steht auf dem Papier. Dies mit Leben zu füllen und in ganz konkrete Schritte und Maßnahmen im Betrieb umzusetzen, das ist die nicht ganz einfache Aufgabe der BetriebsrätInnen. Bei dieser Arbeit finden sie allerdings Unterstützung beim DGB Bildungswerk. In dessen Bereich Migration & Qualifizierung gibt es u.a. Seminare, in denen ganz genau erklärt wird, was das Gesetz bedeutet. Wie man dann Sachen konkret umsetzt, wird an Beispielen gezeigt.

Beispiele dafür, wie sich GewerkschafterInnen und andere AkteurInnen aus der Arbeitswelt gegen Rassismus am Arbeitsplatz und für die Chancengleichheit von MigrantInnen einsetzen, gibt es so viele, dass auf der Internetseite des Bereichs unter eine Datenbank angelegt wurde. Jedes Projekt oder jede Aktion hat ein eigenes »Porträt«, das neben der Beschreibung dessen, was gemacht wurde, z.B. auch Kontaktadressen enthält. Hier findet sich auch eine Sammlung von Betriebsvereinbarungen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und zu partnerschaftlichem Verhalten am Arbeitsplatz.

Gewerkschaftliches Engagement für ArbeitsmigrantInnen hat eine lange Tradition: Erster Ansatzpunkt war das gewerkschaftliche Prinzip »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Daneben wurde durchgesetzt, dass der rechtliche Rahmen, der das Zusammenleben im Betrieb regelt, nicht nach Nationalitäten unterscheidet. So haben seit 1972 alle ausländischen ArbeitnehmerInnen das aktive wie passive Wahlrecht bei Wahlen zu den Betriebs- bzw. Personalräten. Bei den Sozialwahlen (hierbei wählen die Versicherten/RentnerInnen und die ArbeitgeberInnen ihre VertreterInnen in die Vertreterversammlung des jeweiligen Versicherungsträgers) gilt das passive Wahlrecht allerdings erst seit 1992.

Die Positionen der Gewerkschaften zu den aktuellen migrations- und integrationspolitischen Fragen werden dementsprechend nicht für sondern mit den in den Gewerkschaften aktiven ausländischen KollegInnen bzw. KollegInnen mit Migrationshintergrund erarbeitet.

Zu nennen wären da z.B. die Positionen, die der DGB im Hinblick auf ein neues Zuwanderungsgesetz vorgestellt hat. Der DGB fordert hierbei eine »gestaltende Einwanderung«. Das bedeutet eine Steuerung, die Rücksicht nimmt auf die gegenwärtige Situation auf dem Arbeitsmarkt und auf die sozialen Bedürfnisse der deutschen und ausländischen Bevölkerung in Deutschland.

Die Sozialpartner (die Verhandlungspartner bei Tarifverträgen; ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen oder deren Verbände) sollen bei der Regelung einbezogen werden, weil Migration Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat und die Integration in den Arbeitsmarkt (Zugang zu Arbeitsplätzen und zu Aus- und Weiterbildung) von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung eines friedlichen Zusammenlebens ist.

Eine solche Gestaltung der Migration hat z.B. auch Auswirkungen auf die Einstellung von Arbeitskräften, die sich illegal in Deutschland aufhalten, wie das etwa im Baugewerbe, im Gaststättengewerbe, im Landbau und in privaten Haushalten geschieht. Zur Überwindung dieser Praktiken des Menschenhandels und der Ausbeutung müssen einerseits den Beschäftigten Anreize geboten werden, um das illegale Beschäftigungsverhältnis zu beenden und andererseits muss den ArbeitgeberInnen der Anreiz genommen werden, »Illegale« unter Sozialdumpingkonditionen (das Unterlaufen von sozialen Standards aus Profitgründen) zu beschäftigen.

Letzteres kann z.B. schon dadurch geschehen, dass die Menschen, die unter solchen Bedingungen angestellt sind, nicht auf die Rechte verzichten, die ihnen auch in solch einem Arbeitsverhältnis zustehen. Nur wissen die meisten nichts von diesen Rechten. Um dem abzuhelfen, hat der Bereich Migration & Qualifizierung eine Broschüre herausgegeben, in der genau erklärt wird, welche Rechte diese ArbeitnehmerInnen haben. Rechte aus dem Arbeitsverhältnis. ArbeitnehmerInnen ohne Aufenthalts- und/oder Arbeitserlaubnis

Und dies ist nur eines der vielen Bildungsangebote, die das DGB Bildungswerk für das Themenfeld Migration, Integration, Antidiskriminierung anbietet. So wie auch »Betriebsverfassungsgesetz«, »Betriebsvereinbarung« und »gestaltende Einwanderung« nur Schlaglichter auf das Themenfeld Migration und Arbeitswelt sind und nur ein kleiner Ausschnitt des politischen Engagements des DGB und seiner Gewerkschaften im Einwanderungsland Deutschland.

Klemens Büsch
Öffentlichkeitsreferent
Bereich Migration und Qualifizierung

DGB Bildungswerk e.V.
Hans-Böckler-Straße 39
D-40476 Düsseldorf
Tel.: 0211-4301-192
Fax: 0211-4301-137

Einige ausgewählte Links zum Bildungsangebot des DGB Bildungswerks:

  • Rechte aus dem Arbeitsverhältnis Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ohne Aufenthalts- und/oder Arbeitserlaubnis
    Die Mitteilung gibt ausführlich Auskunft darüber, welche Rechte aus dem Arbeitsverhältnis auch diejenigen Personen haben, die ohne Aufenthaltserlaubnis und Arbeitserlaubnis arbeiten.
  • Broschüre »Rechte aus Sozialversicherungsabkommen für MigrantInnen aus der Türkei«
    Die Mitteilung No. 14 aus der Reihe »Migration und Arbeitswelt« berichtet über die Leistungen für türkische Staatsangehörige auf Grundlage des Sozialversicherungsabkommens zwischen Deutschland und der Türkei.
  • Die soziale Gestaltung der Osterweiterung der EU
    Zur Verantwortung von EU, Staaten und Zivilgesellschaft. Tagungsdokumentation »Die soziale Gestaltung der Osterweiterung der EU – Zur Verantwortung von EU, Staaten und Zivilgesellschaft« zur Deutsch-Polnischen Tagung vom 26. bis 28. Oktober 2001 in Mülheim an der Ruhr.
  • Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, hat schon verloren! Aktiv gegen Rassismus – Aktionsformen für die Arbeitswelt
    Es gibt viele gute Beispiele, sich aktiv für Chancengleichheit und gegen Fremdenfeindlichkeit in der Arbeitswelt zu engagieren! Der Bereich Migration & Qualifizierung des DGB Bildungswerkes hat daher die Handreichung »Aktiv gegen Rassismus – Aktionsformen für die Arbeitswelt« entwickelt, in der einige Aktionen für Chancengleichheit und gegen Diskriminierung aus der Arbeitswelt vorgestellt werden.
  • Berufliche Qualifizierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund – Voraussetzung für Integration
    Tagungsdokumentation: Berufliche Qualifizierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund – Voraussetzung für Integration, Tagung 21.-22.März 2002 in Potsdam
  • Rund um Zuwanderung – Fakten und Argumente
    Damit Zuwanderung nicht zum Spielball im Wahlkampf wird, gibt es nur eins: Information. Denn wer informiert ist, kann mitreden und einschätzen, inwieweit scheinbar stichhaltige Parolen zutreffen. Die Diskussion um Zuwanderung ist durchaus gewollt – aber mit sachhaltigen Argumenten und Fakten.
  • kommen – bleiben – teilhaben! Anforderungen an die Integrationspolitik
    Dokumentation der Tagung zum UN-Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2002 in Düsseldorf. Die Tagung des DGB Bildungswerkes mit gleichnamigem Titel gab die Möglichkeit, gemeinsam über die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen zu diskutieren, die ein solcher Prozess bedingt und über die Forderungen, die die Gewerkschaften daran knüpfen. Daneben wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Konzeption der vom neuen Zuwanderungsgesetz vorgesehenen Integrationskurse vorgestellt. In einem dritten Teil ging es um die berufliche Teilhabe von MigrantInnen und Möglichkeiten, diese zu fördern.

Weitere Links zum Thema Gewerkschaften und Migration:

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Dossier #9: Prekäre Arbeit und Migration

  1. Prekäre Arbeit und Migration
  2. Lebens- und Arbeitsverhältnisse von MigrantInnen in Deutschland
    (Silke Veth und Florian Weis )
  3. Partner in der Arbeitswelt
    (Klemens Büsch)
  4. »Wir sind unter euch«
    (Katharina Hamann)
  5. Rechtlos auf Arbeit?
    (Norbert Cyrus)
  6. »Einen Monat hab ich gearbeitet und keinen Lohn erhalten.«
    (Gerda Heck)
  7. Jeder Mensch ist ein Experte!
    (Daniela Schmohl)
  8. HANDS ON WORK
    (Edith Kleinkathöfer, Woge e.V.)
  9. Links