Aktive Medienarbeit

von Günther Anfang

Aktive Medienarbeit spielt in der Medienpädagogik seit vielen Jahren eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zur rezeptiven Medienarbeit, bei der es in erster Linie um die kognitive Aufarbeitung von Medienerlebnissen geht, zielt aktive Medienarbeit auf die produktive und kreative Nutzung von Medien ab. Sie hat sich geradezu als »Königsweg« medienpädagogischer Arbeit erwiesen, denn hier können Jugendliche Medien selbst in die Hand nehmen und sich mit ihnen ausdrücken. Im Vordergrund aktiver Medienarbeit steht die Auseinandersetzung mit Medienerlebnissen und -erfahrungen und mit Medienprodukten und ?institutionen. Mit Hilfe aktiver Medienarbeit sollen Jugendliche Medien für sich in Dienst nehmen und eigene Interessen und Themen artikulieren. Somit dient aktive Medienarbeit dazu, die Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeit von Jugendlichen zu erweitern und sie dabei zu unterstützen, ihre eigenen Themen zu bearbeiten, darzustellen und in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Im Rahmen aktiver Medienarbeit kommen alle Medien, also Radio und Audio, Video und Film, Zeitung und Printprodukte sowie Internet und Computer zum Einsatz. Ziel ist es, eigene mediale Produkte zu erstellen und diese zu veröffentlichen.

Dossier #14: Medien bestimmen unseren Alltag. Aber wann haben wir die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, worüber in den Medien berichtet wird und auf welche Art und Weise oder mit welchen Mitteln das geschieht? Die Antwort ist klar: selber machen!

  1. Aktive Medienarbeit gegen Ausgrenzung
  2. Aktive Medienarbeit
    (Günther Anfang)
  3. Politische Sozialisation Jugendlicher
    (Fred Schell)
  4. Ein eigenes Medienprojekt planen
    (Kathrin Demmler)
  5. Sozialpädagogisches Handeln gegen Rechts
    (Katharina Hamann)
  6. Interview mit rossiPress Weimar
  7. Spielfilmarbeit mit jugendlichen Strafgefangenen
    (Reinhard Nolle)
  8. Materialien

Lernprinzipien aktiver Medienarbeit

Im Mittelpunkt aktiver Medienarbeit steht das »handelnde Lernen«. Ausgangspunkt dieses Lernprinzips ist, dass Lernen in der handelnden Auseinandersetzung mit anderen Gegenständen der Lebensrealität erfolgt. Theoretisches und praktisches Wissen wird dabei durch eigenes Tun erfahrbar gemacht und angeeignet. Das Prinzip des »handelnden Lernens« fußt auf der pädagogischen Theorie von John Dewey, der es als ’learning by doing’ begrifflich bereits in den 20er Jahren gefasst hat. Wichtig dabei ist, dass der Prozess der Aneignung eines Gegenstandsbereichs immer auch mit dessen Veränderung einhergeht. Somit erfolgt Lernen als dialektisches Prinzip von Aneignung, Bewältigung und Veränderung von Realität. Weitere wichtige Aspekte aktiver Medienarbeit sind das Prinzip des exemplarischen Lernens sowie das Prinzip der Gruppenarbeit. Auf der Grundlage dieser Lernprinzipien eröffnen sich für die aktive Medienarbeit vielfältige Möglichkeiten und Chancen bei der Bearbeitung von gesellschaftlichen Gegenstandsbereichen.
Im folgenden soll kurz die Bandbreite von Lernerfahrungen, die im Rahmen aktiver Medienprojekte zum Thema Ausgrenzung möglich sind, skizziert werden.

Ausgrenzung als Thema aktiver Medienarbeit

Die Herstellung eines Medienproduktes motiviert Jugendliche, sich mit einem Thema intensiv zu beschäftigen. Ob es die Planung und Gestaltung eines eigenen Films, eines Audiobeitrages, einer Fotostory im Internet oder einer Homepage zum Thema ist, zunächst muss intensiv recherchiert werden, um die wesentlichen Informationen zum Thema zusammenzutragen. Dabei spielen natürlich auch eigene Erfahrungen und Sichtweisen eine wichtige Rolle. Beim Thema Ausgrenzung können dies beispielsweise eigene Erlebnisse sein, die Ausgangspunkt für das mediale Produkt sind. Es können aber auch Erfahrungen, die aufgrund der politischen Arbeit gemacht wurden, in das mediale Produkt einfließen. Die eigene Betroffenheit ist jedoch eine wichtige Voraussetzung, für ein gelungenes mediales Produkt. Denn sonst läuft man Gefahr, theoretisch und abgehoben von realen Bezügen zu argumentieren. Ein Beispiel für ein aktives Medienprojekte zum Thema Ausgrenzung ist der Film »Und raus bist du?«, den Schülerinnen und Schüler aus München gemeinsam mit dem Medienzentrum München produziert haben. In diesem Filmprojekt thematisierten sie ihre Gewalt- und Ausgrenzungserfahrungen in der Schule. Dabei zeigte sich, wie diffizil und vielschichtig Ausgrenzung in der Schule erfolgt. Das beginnt beim Ausschließen vom Fußballspielen bis hin zu Mobbing und gezielter Diffamierung Einzelner durch die Klassenkameradinnen und ?kameraden oder auch durch die Lehrerinnen und Lehrer.

Erproben von Rollen

Ein wesentlicher Aspekt aktiver Medienarbeit besteht dabei in der kritischen Reflexion und Modifizierung des eigenen Rollenverhaltens. Durch die Auseinandersetzung mit eigenen Ausgrenzungserfahrungen kann nachempfunden werden, wie es anderen mit Ausgrenzung geht. Im Rahmen des oben beschriebenen Projektes thematisierten die Schüler und Schülerinnen zunächst jeweils ihre Ausgrenzungserfahrungen in kurzen Videoclips und montierten daraus eine Filmrolle mit allen Beiträgen. Durch die gemeinsame Arbeit am Film und die Übernahme auch anderer Ausgrenzungserfahrungen konnten sie nachvollziehen, wie sie selbst im Alltag dazu beitragen, andere auszugrenzen.

Entwicklung sozialer Verhaltensweisen

Dadurch trägt aktive Medienarbeit auch dazu bei, soziale Verhaltensweisen zu entwickeln. Da aktive Medienarbeit als pädagogische Methode immer auch ein Gruppenprozess ist, steht im Mittelpunkt gemeinsam einen Standpunkt zum Thema zu erarbeiten. Es geht nicht darum, eine individuelle Sichtweise darzustellen, sondern im gemeinsamen Aushandlungsprozess zu Meinungen und Wertungen zu kommen und diese darzustellen. Aktive Medienarbeit ist Teamarbeit, jede und jeder Beteiligte trägt zum Gesamtprodukt bei, das im Rahmen eines sozialen Lernprozesses entsteht.

Erlernen der Mediensprache

Aktive Medienarbeit ermöglicht aber auch das Erlernen der Ausdrucksmöglichkeiten des jeweiligen Mediums. Wer selbst ein Medienprodukt herstellt, lernt zwangsläufig die »Sprache« des jeweiligen Mediums kennen. Ob Film, Radiobeitrag oder Internetseite, die Gestaltung muss sich nach den Erfordernissen des Mediums richten. So ist es für einen Film wichtig, sich die dramaturgischen Prinzipien eines Drehbuchs zu vergegenwärtigen, für einen Radiobeitrag müssen die Texte so geschrieben sein, dass sie gesprochen werden können, und für eine Internetseite ist es wesentlich, sie so attraktiv zu gestalten, dass sie auch gelesen wird.

Teilnahme an der öffentlichen Kommunikation

Das Erlernen der Mediensprache bildet dabei die Voraussetzung, um an der öffentlichen Kommunikation teilzunehmen. Da aktive Medienarbeit zum Ziel hat Medienprodukte zu schaffen, die in der Öffentlichkeit präsentiert werden, ist die Beherrschung grundlegender Kommunikationsformen eine wichtige Voraussetzung. Jugendliche, die selbst einen Film, einen Radiobeitrag oder eine Internetseite gestaltet haben, erfahren dies spätestens bei der Präsentation ihrer medialen Produkte in der Öffentlichkeit. Die Präsentation des eigenen Produkts ist gleichzeitig eine Konfrontation der eigenen Position mit der anderer und damit eine Überprüfung der eigenen Sichtweisen und Argumentationen. Als »Königsweg« sich Wissen anzueignen und selbst Erfahrungen zu sammeln, bietet aktive Medienarbeit somit vielfältige Möglichkeiten sich mit gesellschaftlichen Fragestellungen und Problembereichen auseinander zu setzen.

Günther Anfang
Leiter der Abteilung Praxis am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und Redaktionsmitglied der Zeitschrift medien + erziehung
Schwerpunkte: Fortbildung, Modelle zur Förderung von Medienkompetenz, Medienarbeit mit Kindern

Kontakt:
Medienzentrum München (MZM) des JFF
Rupprechtstraße 29
80636 München

Tel.: 089-12 66 53 13 oder: 089-68 98 91 40
Fax: 089-12 66 53 24
guenther.anfang@jff.de

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