Sozialpädagogisches Handeln gegen Rechts am Beispiel der Weiterbildung »Aktive Medienarbeit gegen Rechts«

Von Katharina Hamann

Die Weiterbildung ’Aktive Medienarbeit gegen Rechts’ vom Medienpädagogik e.V. in Leipzig richtet sich an MultiplikatorInnen aus der Jugendsozialarbeit. Ziel ist zum einen für das Thema Rassismus und andere Formen von Ausgrenzung zu sensibilisieren und zum anderen Menschen aus der Jugendarbeit mit der Methode der aktiven Medienarbeit vertraut zu machen, so dass diese dann selbstständig Medienprojekte mit Jugendlichen durchführen können. Die Weiterbildung, die im Rahmen des Bundesprogramms Xenos gefördert ist , wird momentan zum zweiten Mal angeboten.

Bewusst beschränkt sich die Weiterbildung nicht auf die Vermittlung von Medientechnik. Wir verstehen aktive Medienarbeit als Methode, die nicht für sich steht, sondern ein Werkzeug in der Jugendarbeit darstellt. Die aktive Medienarbeit ist dabei besonders geeignet, wenn es darum geht, schwierige Themen mit Jugendlichen zu bearbeiten. Gerade wenn es um Ausgrenzung, Rassismus oder Antisemitismus geht, schalten Jugendliche schnell ab, wenn SozialpädagogInnen das ’Gespräch’ suchen. Doch Interesse an Medien haben die meisten, wenn nicht alle Jugendlichen. Dieses Interesse macht sich die aktive Medienarbeit zu Eigen, wie Günther Anfang in seinem Text bereits dargestellt hat.

Im Fokus der Weiterbildung steht also die eigene Auseinandersetzung mit ’rechts’, welche Probleme in Jugendeinrichtungen bzw. unter Jugendlichen existieren und wie Jugendsozialarbeit diese Probleme aufgreifen kann. Auch mit Hilfe von Medienarbeit.

Dossier #14: Medien bestimmen unseren Alltag. Aber wann haben wir die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, worüber in den Medien berichtet wird und auf welche Art und Weise oder mit welchen Mitteln das geschieht? Die Antwort ist klar: selber machen!

  1. Aktive Medienarbeit gegen Ausgrenzung
  2. Aktive Medienarbeit
    (Günther Anfang)
  3. Politische Sozialisation Jugendlicher
    (Fred Schell)
  4. Ein eigenes Medienprojekt planen
    (Kathrin Demmler)
  5. Sozialpädagogisches Handeln gegen Rechts
    (Katharina Hamann)
  6. Interview mit rossiPress Weimar
  7. Spielfilmarbeit mit jugendlichen Strafgefangenen
    (Reinhard Nolle)
  8. Materialien

Am Anfang steht der Inhalt

Ausgangspunkt jeder aktiven Medienarbeit ist der thematische Schwerpunkt des Projektes. Diese banale Aussage, kann nicht häufig genug wiederholt werden. Der Alltag der Jugendarbeit lässt meist wenig Zeit für inhaltliche Auseinandersetzungen. Den größten Teil der Arbeitszeit nehmen andere Tätigkeiten ein: Anträge und Abrechnungen schreiben, den Cafébetrieb aufrechterhalten oder Öffnungszeiten des Jugendclubs gewährleisten. In vielen Einrichtungen gibt es zu wenige oder keine fest angestellten MitarbeiterInnen. Die Ausgangssituation ist also schwierig. Und dennoch kann es keine vernünftige Jugendarbeit gegen Rassismus geben, wenn man sich nicht vorher Gedanken macht, was unter ’Rassismus’ zu verstehen ist, wo er Jugendlichen begegnet und welche eigene Haltung man in ein Projekt einbringt.

In der Weiterbildung waren sich zum Beispiel alle TeilnehmerInnen einig, dass sie Rassismus und Antisemitismus »schlimm« finden. In den tiefergehenden Diskussionen wurde aber deutlich, dass die Begriffe zum Teil vollkommen unterschiedlich gefüllt wurden. Manche verstanden unter Rassismus lediglich körperliche Gewalt gegen MigrantInnen, während andere den Begriff auch auf die Asyl- und Abschiebepolitik der Bundesregierung anwandten.

Was heißt eigentlich ’rechts’?

Rechte Ideologie beinhaltet im Wesentlichen Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus und andere Ideologien der Ungleichheit (wie Homophobie und Sexismus).

Hiervon sind weitere Unterpunkte ableitbar, wie z.B. Antizionismus, positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus, den zweiten Weltkrieg und die Wehrmacht, sowie das Verurteilen von Menschen, die als von der Norm abweichend gesehen werden. Ein wesentliches Kennzeichen von rechten Ideen ist die Identitätsbildung durch Abgrenzung von etwas Eigenem gegenüber etwas vermeintlich Fremden, wobei mit der Abgrenzung eine Aufwertung des Eigenen erfolgt.

Erscheinungsformen rechter Ideologieelemente können sowohl auf der persönlichen, interaktiven Ebene als auch auf struktureller, institutionalisierter Ebene auftreten. Auf der Alltagsebene kann z.B. über Ausländer geschimpft werden, die Deutschen angeblich die Arbeitsplätze weg nehmen; kann sich ein Bürgerverein gegen den Bau einer Synagoge gründen; wird eine Demonstration zur Ehre der Wehrmacht organisiert; oder die Handtasche fester umfasst, wenn ein Mann mit migrantischem Hintergrund auf der Straße vorbeigeht. Auf gesetzlicher Ebene werden u.a. Quoten für die Zuwanderung erlassen, die Chance auf einen Arbeitsplatz für MigrantInnen verringert und eine gewalttätige Abschiebepraxis ermöglicht.

Die Problematik einer Definition des Begriffs ’rechts’ kann hier nur angerissen werden, wichtig ist jedoch, dass von rechten Ideologien, wie z.B. Rassismus, unterschiedlichste Erscheinungsweisen existieren. Sie können das Denken, Sprechen und Handeln betreffen und sind mitnichten auf gewalttätige Angriffe reduzierbar. Elemente rechter Ideologien sind nicht am Rand der Gesellschaft verortet, sondern in deren Mitte. Zwar hat sich der Begriff Rechtsextremismus sowohl umgangssprachlich als auch wissenschaftlich durchgesetzt. Der Begriff an sich ist aber bereits problematisch, er suggeriert, dass es sich um eine Erscheinung am Rand, außerhalb der »eigentlichen und guten« Gesellschaft handelt. Die Bezüge und Überschneidungen mit der gesellschaftlichen Mitte werden vernachlässigt. Dabei bestätigen z.B. Umfragen regelmäßig, dass rassistische, antisemitische und nationalistische Positionen in der Mitte der Gesellschaft zu finden sind. Zusätzlich erfasst der Begriff ’Rechtsextremismus’ erst Menschen mit relativ manifestem Gedankengut und hoher Gewaltbereitschaft.

Was tun gegen ’rechts’?

Das Verständnis davon, was es heißt ’gegen rechts’ zu arbeiten, ist nicht einheitlich. Die Grundlage, auf der die Weiterbildung ’aktive Medienarbeit gegen Rechts’ entwickelt wurde, bilden folgende Leitsätze.

  1. Sozialarbeit gegen rechts heißt nicht, mit rechten Jugendlichen zu arbeiten, sondern nicht-rechte Jugendliche zu stärken und somit präventiv statt reaktiv zu handeln. D.h. mit Jugendlichen gegen rechts zu arbeiten, bevor diese sich als rechts definieren.
  2. Um angemessen pädagogisch, praktisch zu arbeiten, ist eine Beschäftigung mit rechter Ideologie erforderlich. Denn nur auf einem fundierten Wissen kann ein Praxisprojekt entwickelt werden.
  3. Darauf aufbauend kann geklärt werden, mit welcher Zielgruppe was erreicht werden soll und welche Methoden dafür geeignet sind. Eine genaue Beschreibung von mittel- und langfristigen Zielen ist hierfür sinnvoll.
  4. Eine kritische Reflexion der eigenen Position und des Vorhabens ist besonders wichtig. Denn häufig ist bei Sozialarbeit gegen rechts »gut gemeint« das Gegenteil von gut. Wenn ein gut gemeintes Projekt die Grenzen und Unterschiede eher manifestiert als aufhebt, hat es sein Ziel verfehlt. Gerade bei interkulturellen Projekten ist dies leider häufig zu beobachten. Anstatt Gemeinsamkeiten zu thematisieren wird eine ’Kultur’ als fremd und anders (als deutsch) dargestellt. Schwierig bleibt dabei, dass einerseits Differenzen anerkannt werden müssen, da MigrantInnen in Deutschland rassistische Diskriminierung erleben, andererseits Unterschiede aber nicht zur Abgrenzung der eigenen Identität genutzt werden sollen.

Jugendarbeit gegen rechts kann sich mit den unterschiedlichsten Themen beschäftigen, das gilt selbstverständlich auch für medienpädagogische Projekte. Im oben angedeuteten Sinne, dass eine Stärkung nicht-rechter Jugendlicher der Ausgangspunkt ist, können Ausgrenzung und Diskriminierung behandelt werden. Aber auch eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus oder der Asylpolitik in Deutschland ist möglich. Wichtig bleiben für alle Themen eine klare Zieldefinierung, eine Reflexion der Methoden und eine Umsetzung, die die Erfahrungen der Jugendlichen ins Zentrum des Projektes setzt.

Grenzen sozialpädagogischer Intervention

Der Einflussbereich von Sozialarbeit gegen rechts ist insgesamt begrenzt. Deswegen wurde im Rahmen der Weiterbildung auch diskutiert, welche Ziele überhaupt erreichbar sind. Zum Beispiel kann auf die strukturelle bzw. institutionalisierte Ebene von Ausgrenzungsmechanismen kaum oder kein Einfluss genommen werden. Wenn von einem gesamtgesellschaftlichen Problem die Rede ist, kann nicht der pädagogischen Arbeit die Hauptverantwortung für dessen Lösung übertragen werden.

Aber selbstverständlich muss sich die Pädagogik ihrer Verantwortung und Zuständigkeit bewusst sein, zumindest mittel- und langfristig, dem rechten Mainstream etwas entgegenzusetzen.(1)

(1) Einen sehr guten Überblick zum Verständnis von pädagogischen Interventionen gegen rechts bietet Pädagogische Interventionen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus von Albert Scherr.

Aktive Medienarbeit bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit sich auf verschiedenste Weise mit Rassismus auseinanderzusetzen: das Thema zur Sprache zu bringen, aber auch unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten anzubieten und ihre Realisierung zu diskutieren. Es ist durchaus machbar, konkrete Probleme z.B. rassistische Sprüche, die ’gar nicht böse gemeint’ sind, als solche zu benennen und für ein offeneres Klima unter den Jugendlichen zu sorgen. Hier kann ein Freiraum geschaffen werden, der in einem rechts-dominierten Umfeld Aktivitäten nicht-rechter Jugendlicher fördert und unterstützt.

Während der Weiterbildung werden die MultiplikatorInnen der Jugendsozialarbeit dementsprechend für die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen Ausgrenzung und Rassismus sensibilisiert und für die thematische aktive Medienarbeit qualifiziert. Anschließend können die TeilnehmerInnen das Erlernte umsetzen und vertiefen, in dem sie ein Medienprojekt mit Jugendlichen in ihrem Arbeitsumfeld realisieren. Die Jugendlichen sollen dann von den MultiplikatorInnen zur Auseinandersetzung mit den Themen Ausgrenzung und Rassismus angeregt werden und ihnen die Möglichkeiten vermittelt, Medien zur Vertretung eigener Anliegen zu nutzen.

Katharina Hamann ist seit 2003 Projektleiterin der Weiterbildung ’Aktive Medienarbeit gegen Rechts’ beim Medienpädagogik e.V. in Leipzig

Literatur:

  • Zu pädagogischen Möglichkeiten:
    • DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.: Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit. Überarbeitet 2003, 415 Seiten. Kann unter eingesehen und bestellt werden.
    • Scherr, A.: Pädagogische Interventionen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Eine Handreichung für die politische Bildungsarbeit in Schulen und der außerschulischen Jugendarbeit. Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verl., 2001.
  • Zur Definition von Rechts(extremismus):
    • Jäger, S.; Schobert, A.: Weiter auf unsicherem Grund. Faschismus Rechtsextremismus Rassismus. Duisburg: 2000.

Nächster Artikel: Interview mit rossiPress Weimar