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Medienarbeit und politische Sozialisation Jugendlicher
von Fred Schell
Sozialisation als wechselseitiger Prozess von Aneignung und Gestaltung gesellschaftlicher RealitätMit Sozialisation bezeichnet man den Prozess des Hineinwachsens eines Individuums in die Gesellschaft, in der es lebt. Hierzu gehört die Vermittlung und Aneignung von Wissen, Normen und Werten in Institutionen der Bildung und Erziehung wie z.B. in der Schule, was auch als formelles Lehren und Lernen bezeichnet wird. Hierzu gehören aber auch die Prozesse informellen Lernens in der Familie, in der Clique, bei Aktivitäten in der Jugendarbeit, beim Fernsehen oder beim Surfen im Internet usw. Auch dort wird Wissen angeeignet, werden Normen und Werte angeboten und vermittelt. In einem lebenslangen Prozess setzt sich das Individuum mit den in formellen und informellen Strukturen angebotenen Informationen, Normen und Werten auseinander, übernimmt diese in das eigene Verhaltens- und Handlungsrepertoire, verändert sie oder verwirft sie. |
Dossier #14: Medien bestimmen unseren Alltag. Aber wann haben wir die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, worüber in den Medien berichtet wird und auf welche Art und Weise oder mit welchen Mitteln das geschieht? Die Antwort ist klar: selber machen!
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Diese ständige Auseinandersetzung mit der Gesellschaft in der näheren und weiteren Umgebung, alleine oder zusammen mit anderen, macht das Individuum zum gesellschaftlichen Subjekt: es eignet sich die Gesellschaft an und gestaltet diese durch die aktive und handelnde Auseinandersetzung mit ihren Ausprägungsformen gleichzeitig mit. Medien sind heute ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft und spielen eine bedeutende Rolle bei der Vermittlung von Informationen, Werten und Normen. Die gesellschaftlichen Subjekte übernehmen jedoch nicht einfach das, was die Medien ihnen bieten, sondern ordnen mediale Informationen in ihre gesamten Erfahrungen ein, bewerten, übernehmen, verändern oder verwerfen sie, was wiederum auch Rückwirkungen auf die Medien selbst und ihre Angebote hat. Dieses gegenseitige Verhältnis von Medien und Subjekt bezeichnet man als mediale Sozialisation.(1) |
(1) Vgl. dazu Schorb, Bernd: Sozialisation. In: Hüther, Jürgen / Schorb, Bernd (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik. München 2005. S. 381 – 389.
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Politische Sozialisation und die Rolle der MedienAuch politisches Wissen, politische Einstellungen, Meinungen, Normen und Werte bilden sich im Prozess der Sozialisation heraus. Gerade bei der politischen Sozialisation spielen die Prozesse informellen Lernens eine besondere Rolle. Vor allem in der Familie werden politische Grundhaltungen, insbesondere das Interesse an und Einstellungen zur Politik aufgebaut. Mit zunehmendem Alter spielen die Clique, aber auch die Medien eine größere Rolle. Letztere haben dabei unterschiedliche Rollen(2): |
(2) vgl. ebd.
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Medien sind zum einen Faktoren politischer Sozialisation. Sie informieren über politische Ereignisse, setzen politische Themen und lassen andere weg, legen mit der Art ihrer medialen Aufbereitung und mit ihrer Kommentierung bestimmte Lesarten politischer Ereignisse und Entwicklungen nahe usw. Im Sinne des wechselseitigen Verhältnisses von Subjekt und Medien gilt auch hier, dass der/ die einzelne die medialen Botschaften auf der Basis der eigenen Erfahrungen, dem eigenen Wissen, den eigenen Einstellungen und Werthaltungen auswählt, überprüft und entsprechend dem eigenen Wissens- und Verhaltsrepertoire zuordnet. Eine kritische Beurteilung und Bewertung entsprechender Informationen, Meinungen, Kommentare, Werthaltungen usw. setzt allerdings ein hohes Maß an eigenem politischen Wissen und eigener Erfahrung mit Politik voraus. Darüber hinaus ist dafür Medienkompetenz notwendig, d.h. hier Wissen darüber, wie Medien Informationen und Meinungen sammeln, medial aufbereiten und präsentieren. Medien sind zum zweiten Mittler politischer Sozialisation. Hierunter versteht man alle Medien, die für den Zweck der politischen Bildung in Schulen, Hochschulen und in der Erwachsenenbildung hergestellt und eingesetzt werden. Auch hier gilt, dass die Subjekte diese für den Lernprozess aufbereiteten Informationen entsprechend ihren eigenen Erfahrungen und Einstellungen auswählen, bewerten und zuordnen. Je mehr Medienkompetenz sie besitzen, um so leichter gelingt ihnen eine kritisch-reflexive Haltung gegenüber diesen Informationen. Medien sind zum dritten Instrumente im Prozess der Sozialisation, worauf im Folgenden näher eingegangen werden soll. Medien lassen sich (nicht nur) durch Jugendliche als Mittel zur selbstbestimmten und kritischen Auseinandersetzung und Artikulation mit und in der sozialen und politischen Realität nutzen. Heranwachsende sind durch ihre Fähigkeiten als menschliches Wesen, durch ihr bereits erworbenes Wissen und durch Erfahrungen aktive Subjekte mit eigener gesellschaftlicher Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit. Somit ist auch der Umgang mit Medien kein einseitiger Prozess. Medien können nicht nur genutzt werden, um sich mit den angebotenen Inhalten auseinander zu setzen und sich Wissen, Werte und Normen anzueignen, sie können auch selbst in Anspruch genommen oder gestaltet werden, um eigene Ansichten, Meinungen, Interessen u.ä. auszudrücken und sich damit in die gesellschaftliche Kommunikation einzumischen. Dies gilt natürlich auch für politische Themen und Zusammenhänge. Mit der eigenen Gestaltung medialer Produkte zu gesellschaftspolitischen Themen und Fragestellungen (Video, Audio, Multimedia) oder der aktiven Nutzung medialer Netzwerke zur Information, zur Kommunikation, zum Austausch von Erfahrungen oder zur Verbreitung eigener Anliegen in politischen Kontexten erfolgt eine handelnde Auseinandersetzung mit Aspekten politischer Realität, die sowohl eigene Lern- und Erfahrungsprozesse als auch die Beeinflussung und Mitgestaltung der entsprechenden politischen Themenfelder ermöglicht. Medien sind hier Mittel politischer Sozialisation. Selbstbestimmt und mit kritischer Distanz können Medien erst dann genutzt werden, wenn die nötige Kompetenz im Umgang mit den jeweiligen Medien vorhanden ist. Diese Medienkompetenz wird im Prozess der aktiven Mediennutzung durch zunehmendes Wissen und reflektierte Erfahrung angeeignet. Der Aspekt von Medienkompetenz, der hier gemeint ist, bezeichnet die Fähigkeit und Fertigkeit, Medien aktiv als Kommunikationsmittel nutzen zu können. Hierzu gehören die Fertigkeit, mit Medien als technische Geräte (Hard- und Software) umgehen zu können und Fähigkeiten, Medienstrukturen kreativ nutzen und Medienprodukte gestalten zu können. Voraussetzung für letzteres ist, die Gestaltungsmittel einzelner Medien, ihre jeweilige ’Sprache’ verstehen und anwenden zu können. Die aktive Nutzung von Medien (aktive Medienarbeit) als Mittel der politischen Sozialisation hat verschiedene Zielbereiche, die sich wie folgt unterscheiden lassen:
SchlussbemerkungAktive Medienarbeit bietet für die politische Sozialisation Jugendlicher viele Chancen. Jugendliche lieben Medien und sie sind in der Regel gerne bereit, sich aktiv mit ihnen auseinander zu setzen, wenn sie dies selbstbestimmt und kreativ machen können. In der aktiven Medienarbeit werden Wissen und Handeln aufeinander bezogen und die Medien werden als etwas Gemachtes und Machbares erfahren. Medienkompetenz wird hier in aktiver Form aufgebaut. Und – was für Lern- und Sozialisationsprozesse nicht unerheblich ist – aktive Medienarbeit macht Spaß, auch wenn sie oft harte Arbeit ist und Ausdauer, Konzentration und Frustrationstoleranz erfordert. Dr. Fred Schell ist Geschäftsführender Direktor des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis Kontakt: Tel.: 089-68 98 90 Literatur:
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Letzte Änderung: 2005-07-29 22:36:52 | info@d-a-s-h.org Impressum |