Tatort Stadion

Das Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF)(1) macht mit einer Wanderausstellung und einem Online-Nachrichtendienst auf Rassismus und Diskriminierung im deutschen Fußball aufmerksam.

Die hartnäckigsten Formen von Rassismus sind möglicherweise jene, die sich in den Nischen des Alltags etablieren. Die schönste Nebensache der Welt, der Fußball, ist eine dieser Nischen. Die Fankurven, wo die Stimmung gelöster und der Ton ohnehin etwas rauer ist, sind immer wieder Schauplätze schwulen- und fremdenfeindlicher Pöbeleien. Wer schon einmal mitverfolgen musste, wie jeder Ballkontakt eines farbigen Spielers mit stilisierten Affenlauten aus hunderten Kehlen quittiert wurde, weiß, wovon die Rede ist. Das Stadium galt deshalb lange als bevorzugtes Rekrutierungsfeld für NPD und Nazi-Kameradschaften. Indes wehren sich viele Fan-Gruppen vehement dagegen, dass Neonazis und rechte Sprechchöre im Stadion salonfähig werden. Mit Erfolg: Fans, Spieler und Vereine solidarisieren sich und starten Aktionen gegen rechts, die zumindest die schlimmsten Exzesse zurückdrängen konnten.

Kein Grund zur Entwarnung, meint aber das Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF). Der seit 1993 bestehender Zusammenschluss von Fan-Initiativen und Vereinen will das Thema mit einer Wanderausstellung wieder ins öffentliche Bewusstsein rücken. Auf 20 Tafeln dokumentiert »Tatort Stadion« rassistische und diskriminierende Vorfälle und Entwicklungen in Fußballstadien seit den 1980er Jahren. Am 7. November eröffneten die beiden Schirmherren, der Hertha-Bundesligaspieler Michael Preetz und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, die Ausstellung in der gutbesuchten Mediengalerie des Berliner ver.di-Hauses. Außerdem berichteten befreundete Fan-Aktivisten aus Italien und England, mit denen BAFF in dem Netzwerk Football Against Racism in Europe (FARE) zusammengeschlossen ist, von ihren Aktivitäten: Unter dem Slogan »show racism the red card!« etwa werben britische Fans für einen internationalen und sportlichen Fußball, in Italien organisiert das Progetto Ultra gleich eine antirassistische Fan-WM mit 96 Teams.



Christos Figas, einer der Macher von »Tatort Stadion«, sieht die Erfolge der Fan-Initiativen, bleibt aber skeptisch: »Die Nazis sind weiterhin da, konzentrieren sich aber zumeist auf die ’Beziehungsarbeit’. Immer wieder kommt es zu negativen Höhepunkten, wie neulich als Hertha-Fans ein besetztes Haus in Babelsberg angriffen oder Essener Fans lautstark ‚Ausländer raus’ skandierten.« Dass zahlreiche Vereine Antirassismus-Paragrafen in die Stadionordnung eingeführt haben, sei zwar positiv, mit wenigen Ausnahmen aber würden die großen Vereine nur auf massiven Druck hin aktiv. Der BAFF-Aktivist fürchtet, dass die Debatte um die Krise des deutschen Fußballs »Initiativen zur Ausländerbegrenzung« nach sich ziehen könnte, wie sie unter anderem von Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld propagiert werden: »Das führt doch alle Bekenntnisse gegen Gewalt und Fremdenhass ad absurdum«.

Die Berliner Ausstellung wird bis zum Ende des Jahres von einem ambitionierten Programm aus Lesungen und Podiumsdiskussionen begleitet. Im kommenden Jahr wird »Tatort Stadion« dann in Hamburg, Bochum, Leipzig und weiteren Städten zu sehen sein. Unterdessen arbeiten die Fanaktivisten schon an einem weiterführenden Projekt: Anknüpfend an die Ausstellung, die vor allem die Auseinandersetzungen der 1990er Jahre dokumentiert, entsteht unter http://www.tatort-stadion.de/ eine neue Website. Die Internetpräsenz soll neben einem virtuellen Rundgang durch »Tatort Stadion« vor allem einen Nachrichtendienst enthalten, der rassistische Übergriffe aktuell dokumentiert. Die BAFF-Aktivisten bauen dabei auf die Erfahrung einer Mailinglist auf, deren Einrichtung die Kommunikation und Information unter den 120 Mitgliedern in verschiedenen Städten, die sonst nur anlässlich der halbjährlichen BAFF-Treffen zusammenkommen, schlagartig intensivierte. Ergänzt durch die weitverzweigten Kontakte zu Fanzines und Fan-Gruppen soll ein Info-Netzwerk entstehen, das breitflächig und aktuell Ereignisse und Entwicklungen sammelt und zusammenführt, die von einer Redaktionsgruppe nachrecherchiert und veröffentlicht werden: »Wir wollen eine tagesaktuelle Seite, die sich als seriöses Recherche-Projekt in der Fußballszene etabliert«, so Christos Figas.

http://www.tatort-stadion.de/