SolidRocks: Good Night, White Pride

Ein Jugendzentrum im sächsischen Leisnig engagiert sich gegen rechte Tendenzen in der Hardcore-Szene.

Sonnenbrillen, Wollmützen und Skateboards – die Figuren des Grafittis könnten auf eine Club in Berlin-Kreuzberg oder einer anderen Großstadt hinweisen. In Leisnig, einer sächsischen Kleinstadt, ist der Anblick aber etwas unerwartet. Wer nicht aus der Gegend kommt, dem ist der Ort vielleicht deshalb noch erinnerlich, weil hier Anfang der 90er Jahre jedes Wochenende Jagd auf Asylsuchende gemacht wurde. Das lokale Flüchtlingsheim brannte aus, ein afghanischer Mann starb.

Die Fassade gehört zum Autonomen Jugendzentrum AJZ. Seit dem Herbst 2000 geöffnet, hat sich das AJZ zu einem Treffpunkt der Linken und Alternativen der Gegend entwickelt. Zu den Konzerte, die an Wochenenden in dem selbstverwalteten Haus stattfinden, kommen an die hundert meist jugendliche Besucherinnen und Besucher. Die gastierenden Bands tragen düstere Namen wie »Final Force«, »Isolated« oder »Tinnitus«, und dementsprechend ist auch der Musikstil: Hardcore.

»Hardcore ist mehr als Musik. Es ist eine Lebenseinstellung«, sagt Fisch, einer der im AJZ aktiven Jugendlichen, »Hardcore heißt, gegen Herrschaft und Unterdrückung zu kämpfen.« Für das ungeübte Ohr klingt Hardcore wie musikalisch komplexerer Punkrock. Aber vom bierseligen Hedonismus und der Kaputt-Ästhetik des Punk wollen die Hardcore-Fans nichts wissen. Der Verzicht auf Drogen, Yoga und das Engagement im Tierschutz gehören hier durchaus zur angesagten Lebensweise; der politisch aggressiven Attitüde – »Nazis auf’s Maul!« – tut das keinen Abbruch.



Seit dem der aus den USA kommende Hardcore-Sound vor fünfzehn Jahren in Deutschland populär wurde, haben die einschlägigen Clubs, Bands und Fans mit einem politischen Problem zu kämpfen: Nicht nur Antifas, sondern auch deren ärgste Feinde in Gestalt von Nazi-Skinheads werden durch die harten Klänge angezogen. Und auf den Konzerten fallen die Rechten in der Menge kurzgeschorener, bestiefelter Kerle nicht weiter auf.

Inzwischen hat sich die Liaison Nazi-Hardcore zu einer eigenen Szene mit Bands und Labels ausgeweitet. Nicht immer firmieren diese unter so eindeutigen Slogans wie »White Power« oder »Rock against Communism«. So könnte, wer sich etwa von den aktuellen Tourplakaten der Gruppe V-Punk angezogen fühlt, in ein schweißtreibendes Event der anderen Art geraten: die Kieler Punkband ist eine vom linken Szeneblatt Wahrschauer gelobte Band, die aber auch mit Nazi-Kapellen wie Kraftschlag auftritt und bei deren Konzerten regelmäßig kurzhaarige Schlägertypen das übrige Publikum drangsalieren.

Bands wie D.I., deren Songtexte die politische Haltung ihrer Autoren nicht direkt verraten, werden deshalb argwöhnisch beäugt. Und die US-amerikanischen Musiker blickten voller Unverständnis ins Publikum zurück, als ihnen während des Konzertes in der Universitätsstadt Göttingen der Strom abgestellt wurde. In den schnellen Liedzeilen hatten politisch korrekte Konzertbesucher etwas von »Ostberlin« gehört und reflexhaft beschlossen, eventuelle antikommunistische Propaganda zu unterbinden.

Clubs und Fans haben sich nun zu einer Kampagne zusammengefunden, um die Rechten aus ihrer Szene zurückzudrängen und ihre Musik wieder mit einer klaren politischen Message zu versehen. Die Jugendlichen des Leisniger AJZ haben sich der Aktion unter dem Motto »Good Night White Pride« angeschlossen: Mit Unterstützung der antirassistischen Internetplattform D-A-S-H wird in Leisnig eine Website erstellt, auf der sich andere Veranstalter und Fans über einzelne Clubs und Bands informieren und in einem Forum diskutieren können. Links zu antifaschistischen Projekten unterstreichen, dass hier eine Plattform für ein politisch klar positioniertes Hardcore-Netzwerk entstehen soll. Ein positiver Effekt der Kampagne lässt sich schon beobachten. In Internet-Foren wird nun diskutiert, wie einzelne Bands zu bewerten sind, deren Konzerte in letzter Zeit auch von Nazis besucht wurden. Sicherlich besser, als gleich den Strom abzustellen oder »auf’s Maul« zu hauen.



Es wäre in diesem Zusammenhang naheliegend und interessant, die Gründe für die ungeliebte Affinität der Nazi-Skinheads zur Hardcore-Szene zu beleuchten. Gibt es eine gezielte Unterwanderung, ersonnen von Nazi-Strategen, die um die Bedeutung kultureller Hegemonie wissen? Oder sind die Verhaltensweisen und Werte, die in der Hardcore-Szene propagiert werden, sowohl mit jenen junger Antifas wie jenen junger Neonazis kompatibel?

Man erkennt unschwer, dass sich die meisten Nazi-Schläger mit dem in der Szene kultivierten, herb-männlichen Habitus gut arrangieren können. Auch das politische Engagement für »Tierrechte« und die gesunde Lebensweise, die nicht wenige Hardcore-Fans unter der Parole »straight egde« propagieren, weisen einige unappetitliche Übereinstimmungen mit der Ideologie des Nazismus auf. Das wird besonders in der Unterstützung augenfällig, die kryptofaschistische Vereinigungen wie Earth First oder Frontline in einem Teil der Szene genießen. Diese aus einem progressiven Kontext kommenden, ökologischen Gruppierungen halten Legebatterien für Konzentrationslager, Kuhmilch ist ihnen weißes Blut und mit den militanten Abtreibungsgegnern in den USA machen sie gemeinsame Sache. Im Leipziger Conne Island, einem populären Veranstaltungsort für Hardcore-Konzerte, kam es bereits zu Auseinandersetzungen, weil Anhängerinnen und Anhängern solcher Gruppen der Zutritt verweigert wurde.
Es gibt also einigen Diskussionsbedarf. Es wäre zu hoffen, dass Good Night White Pride und auch die Leisniger Aktivisten ihre Hardcore-Kultur gegen die Rechten verteidigen; nicht zuletzt auch, indem solche selbst-kritischen Diskussionen in der auf Toleranz und »Unity« bedachten eigenen Szene gefördert werden.

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